Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
glaube, Fußball ist eine Frage des Geldes«, sagte Olga, »wenn ich die Fußballclubs in der Reihenfolge des verfügbaren Geldes in eine Liste schreibe, dann wird es wahrscheinlich die gleiche Liste ergeben wie der Tabellenstand am Ende der Saison.«
Martin Klein wollte protestieren, aber Georg füllte ihre Gläser nach.
Dann berichtete er von seinem Gespräch mit dem amerikanischen Major.
»Wie willst du das Schicksal von Juniors Vater aufklären, wenn daran schon die US Army gescheitert ist?«, fragte Olga.
Georg erläuterte seinen Plan: »Die Kripo hat eine Akte. Außerdem muss es Zeugen geben. Stell dir vor: In den letzten Kriegswochen läuft ein schwarzer Soldat durch eine kleine Stadt. Oder hält sich in ihrer Nähe auf. Da muss doch irgendjemand was mitgekriegt haben. Und wenn es nur einer war, der etwas gesehen hat – das hat er bestimmt weitererzählt. Ich werde von Gündlingen über Bruchsal Ort für Ort bis zum Rhein den möglichen Fluchtweg von Steven Blackmore nachgehen und alte Leute befragen. Aus den Nachforschungen für die Geschwister Sternberg kenne ich noch einige Zeugen, die die Zeit um 1945 erlebt haben.«
»Kennst du denn den Fluchtweg Blackmores?«, fragte Martin Klein und hob sein Glas. »Vielleicht hat er den Absturz gar nicht überlebt.«
»Das ist möglich. Dann muss ich seine Leiche finden. Aber wenn er noch gelebt hat ... Major Hooker sagt, die abgeschossenen Soldaten verhielten sich alle gleich: Sie würden versuchen, sich auf dem kürzesten Weg zu den eigenen Truppen durchschlagen.«
»Wann wurde Blackmore abgeschossen?«
»Am 1. März 1945.«
»Da kann die Front aber nicht mehr allzu weit gewesen sein. Vielleicht hat er sich irgendwo eingegraben und gewartet, bis die Amerikaner kommen.«
»Und vielleicht wurde er verletzt und ist gestorben«, sagte Olga.
»Dann«, sagte Martin Klein, »liegen die Überreste von ihm, nicht mehr als ein paar Knochen, in seinem Versteck.«
»Vielleicht habt ihr Recht. Ich werde es herausfinden«, sagte Georg Dengler.
»Bei deinen Verhören möchte ich mit dabei sein«, sagte Olga.
Georg Dengler lachte.
»Ich führe keine Verhöre. Bin doch kein Polizist mehr. Ich rede einfach mit den Leuten. Stelle Fragen.«
»Nimmst du mich mit?«
Er sah sie an. Ihr Gesicht glühte vor Begeisterung.
»Georg«, lockte sie, »bitte nimm mich mit!«
»Sie möchte nur den alten Leuten die Brieftaschen leeren«, sagte Martin Klein.
Olga warf ihm einen bösen Blick zu.
»Also gut. Meinetwegen. Ich ernenne dich zu meiner Assistentin«, sagte Georg Dengler, und Olga klatschte vor Begeisterung beide Hände zusammen.
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57. Die Kripo war in einem neuen Gebäude untergebracht
Die Bruchsaler Kripo war in dem neuen Gebäude des Polizeipräsidiums untergebracht. Dengler stellte sich als ehemaliger Kollege vor, und der Dienst habende Hauptkommissar zeigte ihm bereitwillig die neuen Räume, auf die er sehr stolz zu sein schien.
Hauptkommissar Langenstein war ein untersetzter Beamter. Hektische rötliche Flecken zeigten sich auf seinen Wangen und dem Hals. Er war fünfzig Jahre alt, wirkte erfahren und gewissenhaft.
»Auch wenn Sie ein ehemaliger Kollege sind, so können wir Ihnen keine Akteneinsicht gewähren«, sagte er, als Dengler ihm seinen Wunsch vorgetragen hatte.
»Der Fall ist so alt, dass Sie wahrscheinlich die Akte gar nicht mehr finden«, sagte Dengler.
Langenstein runzelte die Stirn.
»Sie meinen: Die Bruchsaler Kripo verschludert Akten? Wollen Sie das sagen?«
Dengler beobachtete, wie sich weitere Hautpartien seines Gesichts röteten. Keine Frage, der Mann war empfindlich.
»Das war lange, bevor Sie geboren wurden«, sagte Dengler, »andererseits, der Fall ist wahrscheinlich immer noch ungelöst.«
»Wir lassen hier keine Fallakten verschwinden.«
Langenstein war aufgesprungen. Er rannte zu dem Telefon, das auf dem Sims des Fensters stand, und hackte wütend auf drei Zahlen im Tastenfeld.
»Wir brauchen eine Akte aus 1945 oder kurz danach«, schrie er in den Hörer, »bei den Ungelösten muss sie liegen. Vermisste Personen. Akte: Blackmore.«
Er knallte den Hörer so fest auf die Gabel, dass er noch einmal hochsprang. Langenstein grinste Dengler an.
»Jetzt wollen wir doch mal sehen, wie gut unsere Ablage ist.«
Sie warteten schweigend.
Nach drei Minuten brachte eine Sekretärin in einem langen braunen Baumwollkleid eine staubige Akte und legte sie vor Langenstein auf den Tisch. Er nahm sie und pustete den Staub von dem Deckel.
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