Das Erbe der Apothekerin - Roman
dabei vielsagend die Augen.
»Ach ja? Nun sagt schon, wer ist es denn?« Allmählich wurde die junge Frau wirklich neugierig.
»Nehmt erst einmal Eure Klosterfrauenhaube ab – das ist das mindeste, was Ihr tun könnt, um Euch auf die Schnelle etwas gefälliger herzurichten; Euer Haar ist so wunderschön.
Um noch in ein hübscheres Gewand zu schlüpfen, ist vermutlich zu wenig Zeit. Herr Julius hat nämlich verlangt, dass Ihr sofort zu ihm in die Wohnstube kommen sollt, sobald Ihr daheim seid. Und er hat Euer Kommen bestimmt gehört.«
»Ihr macht es aber spannend. Verratet mir doch endlich, wer dieser ominöse Gast ist!« Magdalena nahm ihre Kopfbedeckung ab und legte sie auf den Tisch. Eine wahre Flut von lockigem, blondem Haar ergoss sich über ihre Schultern. Betz stockte der Atem. Wunderschön sah sie aus …
Berta schüttelte den Kopf.
»Nein, nein, mein liebes Kind.« Die ältere Frau schob sich eine Strähne ihrer grau gewordenen Haare unter das Kopftuch, das sie stets auf besondere Art geschlungen und im Nacken verknotet Jahr und Tag zu tragen pflegte. »Das wird Herr Julius schon selber tun.«
Betz war es schließlich, der nicht mehr an sich halten konnte: »Na, wer wird es denn schon sein? Natürlich dieser geschniegelte Laffe, der Euch immer so liebreiche Blicke zuwirft. Er scheint sich eine ganze Menge einzubilden und …«
Da aber unterbrach ihn die Haushälterin energisch: »Betz! Lasst Euch ja nicht einfallen, über einen geschätzten Gast unseres Herrn herzuziehen! Das ziemt sich nicht. Und Ihr, Frau Lena«, sie wandte sich an die heftig errötende Magdalena, »Ihr solltet jetzt gehen und den Ankömmling endlich willkommen heißen.«
Mit Herzklopfen machte sich Magdalena auf den Weg in die »gute Stube«, das Besucherzimmer mit dem gemauerten, mit bemalten und glasierten Kacheln verzierten Ofen aus den Niederlanden, wohin der Hausherr gern gesehene Gäste einzuladen pflegte. Natürlich wusste sie nach Betzens Bemerkung sofort, um wen es sich handelte.
Kürzlich hatten sie das erste Mal ein paar Worte unter vier Augen wechseln können: Als der elegant und geschmackvoll gekleidete junge Mann mal wieder in der Klosterapotheke aufgetaucht war und unter einem Vorwand das Gespräch mit ihr gesucht hatte.
Aber die Intimität dauerte nicht lange. Sie war abrupt zu Ende gegangen, als Bruder Gregor aus dem Nebenzimmer trat, wo er Frater Albert in eine neue Methodik der Salbenherstellung einwies. Auch in Klöstern war man gegen das Laster der Neugierde keineswegs gefeit – das hatte Magdalena schon einige Male erlebt.
»Was mag wohl Herrn Albrecht von Meinrad zu meinem Vetter Julius führen?«, überlegte die junge Frau. Sie bekam plötzlich weiche Knie – und das rührte keineswegs von den Mühen eines langen Tages im Laboratorium der Franziskaner her und auch nicht von der abendlichen Hitze dieses außergewöhnlich brütenden Julitages.
Als sie den geräumigen, mit geöltem Lindenholz getäfelten Raum betrat, dessen lange Fensterfront mit hellgrünen Butzenscheiben, samt gefälligem Erker, auf die Prozessionsgasse hinausging, leuchteten die grünbraunen Augen des Besuchers auf. Höflich erhob er sich, um sie zu begrüßen.
Die jungen Menschen mochten sich im Stillen amüsieren, als Julius Zängle sich beeilte, sie einander vorzustellen. Wie die gute Sitte es für junge, unverheiratete Frauen vorschrieb, hielt Magdalena die Augen gesenkt, als Albrecht von Meinrad ihre Hand ergriff und leicht drückte.
»Gott zum Gruße, Jungfer! Euer Verwandter – und auch mein entfernter Vetter – war so liebenswürdig, mich in seinem Haus zu empfangen. Und dafür bin ich ihm umso dankbarer, als ich die Freude und das Vergnügen habe, Euch, Jungfer Magdalena, als Mitglied meiner Familie begrüßen
zu dürfen! Ich erkenne mit Vergnügen, dass ich schon bei einigen Gelegenheiten das Glück hatte, Eure reizende Base in den Gassen der Stadt zu treffen, ohne jedoch von unserer verwandtschaftlichen Verbindung zu wissen.«
»Ach? Ihr kennt Euch bereits?« Der Notar war verblüfft. »Na, so ein Zufall. Aber Ihr seid doch erst seit kurzem in Konstanz, Vetter?«
»Genaugenommen bereits seit der Ankunft König Sigismunds. Ich gehöre nämlich zu seiner Begleitung«, verkündete der junge Mann mit berechtigtem Stolz. »Vor einiger Zeit habe ich mir von Seiner Majestät Urlaub erbeten, um eine Verwandte, Frau Gertrude von Reuchlin, in Ravensburg aufzusuchen. Zuletzt habe ich sie gesehen, als ich ein kleiner Knabe
Weitere Kostenlose Bücher