Das Erbe Der Loge: Roman
brummte ich missmutig. »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass man Sie auch schon befragt hat, und was sollte dieser Blödsinn mit... Sie seien nicht die ganze Zeit mit im Zimmer gewesen?«
Kögel stieß sich vom Auto ab und grinste.
»Wollte Sie nicht erschrecken, und regen Sie sich nicht wegen dieser blöden Mappe auf. Fröhlich hat nichts in der Hand. Ich habe ihn nur ein bisschen verwirrt. Die beiden Weiber wollen was vertuschen, und Fröhlich scheint ihnen dabei zu helfen.«
»Warum sollte er das?«
»Weil er der Liebhaber von Frau Seid ist. Aber bevor Sie sich falsche Hoffnungen machen: Er kann nicht der Mörder des Ehemannes sein. Los, fahren wir. Ich muss Ihnen etwas zeigen.«
Ein paar Minuten später bogen wir in den Hof der Gaststätte ein.
»Würden Sie bitte mal die Garage aufschließen. Das Schloss ist so alt, dass mein Besteck Probleme hat«, deutete er auf seinen Spezialschlüsselsatz.
Die Garage war nicht mehr so, wie wir sie letzte Nacht verlassen hatten. Die Zeitungsbündel waren aufgeschnürt und nach einer mir nicht ersichtlichen Reihenfolge geordnet.
In der Mitte stand ein Kneipentisch mit einem Stuhl und eine Klappliege.
»Haben Sie hier etwa übernachtet?« Ich hob einen Aschenbecher hoch, der nur Rillostummel enthielt.
Kögel zuckte mit den Schultern. »Was sollte ich machen? Der Kater war keine gute Idee, und da habe ich mir gedacht, ich versuche mich schon einmal an diesem Papierkram. Dafür habe ich vom Wirt ein ausgiebiges Frühstück bekommen. Alles dabei, was es bei mir zu Hause schon lange nicht mehr gibt.«
Er schnalzte mit der Zunge und streichelte sich über den Bauch.
»Kommen Sie«, winkte er mich zu einem Stapel, den er wechselweise aus den Firmenkladden und Zeitungen zusammengesetzt hatte. »Ihre Vermutung war richtig. Die Firmenabschlüsse haben mit den Zeitungen zu tun.«
»Nicht die Zeitungen mit den Firmen?«, versuchte ich richtig zu stellen.
Enttäuschung machte sich in mir breit. Eigentlich hätte ich froh sein sollen, dass mir jemand die Arbeit abgenommen hatte. Aber ich fühlte mich wie ein Kind an Weihnachten, dem man die Vorfreude nahm, indem die Eltern seine Geschenke auspackten.
Eifrig, zu eifrig schichtete Kögel die Ergebnisse seiner nächtlichen Sortierung vor mir auf den Tisch.
»Es handelt sich um vierunddreißig Firmen, die ehemals in jüdischem Besitz waren. Ich habe hier ihre Namen notiert.«
Mit einem stolzunterlegten Ton, als habe er die Zusammenhänge geahnt, präsentierte er mir ein Blatt Papier.
»Und was schließen Sie daraus?«, murrte ich.
Der Mann verstand es, sich in Szene zu setzen.
»Die vom Professor gesammelten Völkischen Beobachter melden, so hieß das damals wohl, kurz in verschiedenen Rubriken, welche jüdischen Unternehmen damals ›arisiert‹ wurden und welchen Vorteil das fürs Reich brachte und ähnliches Blabla. Das geschah, wie die Erscheinungsdaten belegen, 1937 und 1938.«
»Und?«, war alles, was ich von mir gab, und wartete, ob er zu dem gleichen Schluss gekommen war wie ich.
»Diese Firmenabschlüsse sind auch darunter.« Er deutete auf die Kladden. »Interessant wird es aber erst mit den Jahrgängen 1949 und 1950 der Times.«
Der Wirt unterbrach Kögel mit der Tageskarte und dem dezenten Hinweis, dass die Garage auch zur Wirtschaft gehöre. Übersetzt hieß das, dass er auch außerhalb des Gastraumes Umsatz erwartete.
»Was ist mit dem Kater passiert?«, wollte ich zwischen zwei Bissen Schnitzel und Pommes wissen.
»Erinnern Sie mich bloß nicht daran«, japste der Kommissar mit vollem Mund. »Das Vieh ist es anscheinend gewöhnt, in einem Bett zu schlafen. Und dazu hat er sich sofort meines ausgesucht. Das könnte ich ja gerade noch ertragen. Aber meine Frau hat ihn umgehend in die Wanne gesteckt... Haben Sie schon mal mit einer nassen Katze im Bett gelegen?«
Er schüttelte sich und setzte seinen Teller vor die Garage, vor der seit geraumer Zeit die Hauskatze auf und ab schlich.
»Hier«, legte er mir zwei Ausgaben der Times neben die Pommes. »Schlagen Sie die mal auf. Sie werden sich wundern.«
Kögel hatte die Artikel im Wirtschaftsteil, die eigentlich nur unkommentierte Mitteilungen waren, rot markiert.
Die Ausgabe vom 10. Januar 1949 meldete, dass ein Oberst der »Zwah Haganah Le Israel« namens Jakob Motzkin bei dem damaligen Militärgouverneur der britischen Zone in Deutschland, General Robertson, einen Antrag gestellt hatte, die unter den Nazis beschlagnahmten Besitzstände an ihre
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