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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Seelenräuber.
    Angespannt mustert er die anderen Leichen im Refektorium. Mutter Gabriella scheint nicht unter all diesen Geschundenen und Verstümmelten zu sein. Vierzehn Leichen. Zusammen mit den von den Seelenräubern lebend über die Brüstung geworfenen haben in einer Nacht fünfundzwanzig Dienerinnen Gottes das Leben verloren. Landegaard tritt auf einen seiner Schreiber zu, der gerade das Register des Klosters aufgefunden hat. Außer einer Nonne, die zu Anfang des Winters an einer Krankheit gestorben war, fehlt ausschließlich die Oberin. Bisher gibt es keine Spur von ihr.
    Er tritt an den letzten Tisch. Er ist leer, doch lässt sich auch auf ihm eingetrocknetes Blut erkennen. Landegaard bückt sich, um Hanfreste vom Boden aufzuheben. Vermutlich hatte man auf diesem Tisch Mutter Gabriella ebenso gefoltert wie ihre Mitschwestern, und da auch sie nichts preisgegeben hat, sind die Eindringlinge darangegangen, das Kloster auf den Kopf zu stellen. Diese Gelegenheit könnte die Oberin zur Flucht genutzt haben.
    Er folgt mit den Blicken den eingetrockneten Blutspuren am Boden. Wie es aussieht, hat sie die Kraft gefunden, aufzustehen und aus dem Refektorium den Kreuzgang zu erreichen.
    Nachdem er den Spuren den ganzen Gang entlang gefolgt ist, bleibt er vor einem riesigen Wandteppich stehen. Hier hören die Spuren auf. Er hebt den Teppich an und sieht die blutigen Abdrücke, die Mutter Gabriellas Hände auf der Mauer hinterlassen haben. Er legt seine Finger auf die Stellen. Ein Knacken ertönt. Ein eiskalter Luftstrom dringt aus dem Durchgang, der sich in der Wand auftut. Dahinter führt eine Treppe in die finstere Tiefe – ein Geheimgang, wie ihn die Baumeister bei allen Wehrklöstern als Fluchtweg vorsehen. Die Mitglieder der Ordensgemeinschaften sind angewiesen, sich einer tödlichen Bedrohung auf diesem Weg zu entziehen. Der Ausgang dürfte in beträchtlicher Entfernung vom Kloster liegen. Auf diese Weise also hat sich Mutter Gabriella dem Zugriff der Seelenräuber entzogen.

26
    Während Valentina in größter Eile die Tiberbrücke überquert, hält sie ihr Telefon ans Ohr. Es dauert eine Weile, bis sich der Chefredakteur des Corriere meldet. Da er Valentinas Stimme anhört, dass sie verstört ist, fordert er sie auf: »Sag lieber gleich, was du willst. Du rufst mich doch bestimmt nicht an, um zu sagen, dass es regnet.«
    »Ich sitze tief in der Tinte, Mario.«
    »Was ist denn?«
    Sie schildert in knappen Worten die Situation. Als sie geendet hat, schweigt er eine Weile.
    »Schön, ich ruf sofort in der Herstellung an und sag denen, sie sollen die Maschinen anhalten. Die erste Seite wird rausgeschmissen.«
    »Und was mach ich?«
    »Komm zum Hotel Abruzzi gegenüber dem Pantheon. Da können wir uns in zehn Minuten treffen. Bring aber auf jeden Fall die Tonaufnahme mit.«
    »Warum nicht in der Redaktion?«
    »Hast du nicht gerade gesagt, du fürchtest, dass die Männer vom Schwarzen Rauch hinter dir her sind?«
    »Ja.«
    »Dann wäre das viel zu gefährlich. Falls der Camerlengo der Verschwörung angehört, lässt er garantiert jeden überwachen, der die Redaktionen einer der großen römischen Zeitungen aufsucht. Mach dich also kleiner als eine Maus, halt dich möglichst mitten in der Menschenmenge, und komm zum Pantheon, so schnell du kannst.«
    Schweigen.
    »Valentina?«
    »Ja.«
    »Sollte der Schwarze Rauch tatsächlich den Papst ermordet haben, bist du in höchster Lebensgefahr. Also gib auf dich acht, und pass auf, dass dich möglichst keiner sieht.«
    Ein Klicken. Das Gespräch ist beendet. Valentina zittert, als sie hinter sich Schritte hört. Sie dreht sich um. Niemand. In der Ferne zieht ein Kerzenmeer dem Petersdom entgegen. Die ganze Stadt trauert. Als sie sieht, wie sich die Menschen drängen, geht ihr auf, dass jemand, der es darauf anlegt, sie umzubringen, das ohne die geringsten Schwierigkeiten tun könnte. Wie nebenbei ein Dolchstoß in den Rücken, und schon nach wenigen Sekunden ist die über das Brückengeländer geworfene Leiche im schlammigen Wasser des Tibers verschwunden … Inmitten einer Menschenmenge kann man leicht umkommen.

27
    »Maria?«
    Der Exorzist lässt Maria nicht aus den Augen, während sie im Refektorium von Tisch zu Tisch geht und jeden aufmerksam mustert. Sie beugt sich vor. Sie hat etwas gefunden, das am Boden lag. Als sie sich wieder aufrichtet, ist ihre Hand leer. Trotzdem sieht sie hin. Dann geht sie weiter, den Blick nach unten gerichtet, als wenn sie längst

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