Das Fest der Schlangen
Hi-Power.
» Fuck you , Jimmy!«, schrie der Mann. »Du solltest den Monitor im Auge behalten! Jetzt sieh dir an, was du gemacht hast!«
»Vorsicht!«, rief Legros und stieß Bingo zur Seite.
Im selben Moment hob der zweite Mann – Larry – die Pistole und schoss. Legros flog nach links, und seine Knie knickten ein. Sein Hinterkopf war an der Wand verspritzt.
Bingo beging den Fehler, zu ihm hinzuschauen. Als er sich wieder umdrehte, hatte der graue Mann sich ihm zugewandt. Den Schuss hörte Bingo gar nicht mehr.
Maud Lord hatte Angst. Das an sich fand sie interessant, denn so schnell fürchtete sie sich nicht. Angefangen hatte es mit einem ängstlichen Flackern, als sie die tote Katze gefunden hatte, und seitdem war es gewachsen, bis sie sich schließlich nicht mehr traute, das Ocean Breezes zu verlassen, und sich nicht einmal mehr aus ihrem Zimmer wagte. Am Samstag war es so schlimm geworden, dass sie Bobby anrief.
Er war eben von Vasa Korak zurückgekommen, fummelte jetzt auf einem Polizeicomputer mit Google Maps herum und suchte auf der Karte nach Orten in der Nähe von Brewster, wo jemand Kojoten züchten könnte, ohne dass die Leute es merkten. Barton Wilcox’ Farm war ein solcher Ort. Barton würde so etwas nicht tun, aber die Farm war zu drei Seiten vom Great Swamp umgeben und dadurch abgeschieden genug. Dann hatte Woody angerufen und ihm unter anderem von seinem Besuch im Krematorium erzählt. »Ein hässlicher Laden«, hatte Woody gesagt, »direkt am Rand von Arcadia, mitten im Nirgendwo.«
Bobby fing an, über den Naturpark Arcadia nachzudenken, der nördlich von Hope Valley über ein paar Meilen hinweg an den Interstate 95 grenzte. Arcadia war viermal so groß wie der Great Swamp – von einem Ende zum anderen fast zehn Meilen lang, und die Umgebung war weit weniger dicht bevölkert. Das war Stoff zum Nachdenken.
Aber in diesem Nachdenken unterbrach ihn Maud Lord mit ihrem Anruf.
Je größer ihre Angst wurde, desto ohnmächtiger fühlte sie sich. »Erinnern Sie sich an mich?«, fragte sie.
»Guten Tag, Mrs. Lord. Wie könnte ich Sie vergessen? Gibt es neue Entdeckungen?«
»Ich habe schreckliche Angst, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll.«
Also beschloss Bobby, beim Ocean Breezes vorbeizufahren.
Maud Lord bewohnte eine Zwei-Zimmer-Wohung im Anbau hinter dem Hauptgebäude, der sechzehn solche kleinen Wohnungen enthielt. Es war ganz hübsch und mit den besten Möbeln aus Mauds Besitz eingerichtet. Allerdings gab es einen eingebauten Nachteil. Wie Maud sagte: »Für mich geht es nur noch in eine Richtung.« Ihr graute vor dem Tag, da man sie in ein einzelnes Zimmer verlegen würde. Selbst mit fünfundneunzig stellte sie sich gern vor, dass sie noch ein paar Möglichkeiten zur Auswahl haben würde. Es war keine Zukunft der unbegrenzten Gelegenheiten, aber sie hatte doch das Gefühl, noch zwei oder drei Entscheidungen treffen zu dürfen. Wäre sie erst in einem einzelnen Zimmer, wäre es damit vorbei.
Während sie auf Bobby wartete, kochte sie Kaffee und stellte einen Teller selbst gebackene Butterplätzchen hin. Sie bürstete sich das Haar, zog ihren blauen Pullover an und legte eine Halskette mit Smaragden und Brillanten um. Sie war vielleicht fünfundneunzig und verängstigt, doch sie hatte trotzdem vor, ein bisschen zu flirten.
Wenig später klopfte Bobby einen fetzigen Wirbel an ihre Tür, und sie rief: »Ist offen!«
»Hey, Mrs. Lord, Sie sehen toll aus. Das ist eine schöne Halskette.« Er wusste nicht genau, ob er ihr die Hand schütteln oder sie auf die Wange küssen sollte, aber dann küsste er sie einfach auf die Wange, die sich sehr weich anfühlte. Vielleicht errötete Maud Lord ein wenig. Sie blieb neben ihrem antiken runden Sockeltisch aus Eichenholz stehen, den ihr erster Mann 1935 gekauft hatte.
Sie setzten sich, und Maud goss den Kaffee ein. Bobby nahm Sahne und Zucker. Seine Charme-Maschine lief zwar auf Hochtouren, war jedoch sehr fein abgestimmt. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich vor allem auf Mauds Angst. Nur ihr Mund lächelte, alles andere in ihrem Gesicht verriet ihre Not.
»Und?«, fragte Bobby und nahm sich ein Plätzchen.
»Hier sterben zu viele Leute. Ich weiß ja, dass sie es tun sollen, aber hier liegt ein statistischer Fehler vor.«
Bobby konnte nicht sagen, ob er ihr glaubte oder nicht; er neigte wohl eher dazu, ihr zu glauben. Schließlich mochte er Maud Lord. »Welche Erklärung hat die Heimleiterin?«
»Sie sagt, es liegt am Alter,
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