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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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versuchen wir, der Reihe nach
zu erzählen. Oder wollen wir uns bemühen, wenigstens die wichtigsten Episoden
dieser Geschichte wie in einem Film, in einer Montage aus Rückblenden
anschaulich zu machen...
    Beginnen wir mit dem bewußten
ersten Abend.
    Zwei oder drei angeblich
gewichtige Gründe gab es, dies oder das gebührend zu feiern — als Ort wurde
eine große Villa im alten Tessiner Stil vereinbart, die Blanche später nie mehr
sehen sollte, wie ihr überhaupt vieles aus jenem Zeitraum ganz und gar
traumhaft in Erinnerung blieb.
    Da sie den Vermouthwein, der
damals ebenso wie der Schwedenpunsch als Modegetränk galt, verabscheute, der
süße Haute-Sauterne, den der dicke Inflationsgewinnler dröhnend lachend als
»Nuttensekt« apostrophierte, ihr nicht schmeckte, sprach sie dem ungewohnten
Rotwein des Landes zu und ließ sich von seiner arglistigen Süffigkeit täuschen.
Sie wurde betrunken, was ihr eigentlich sonst nie passierte. Aber es muß zu
ihrer Ehre gesagt werden, daß ihre Trunkenheit des kindlichen Charmes nicht
entbehrte, sie bekam weder das heulende Elend, noch wurde sie vulgär, noch
neckisch-albern — nur ungeheuer lustig.
    Als sich die strengen Hüterinnen
der Tanzkunst, durch Alkohol und andere Stimulanzien in Stimmung gekommen,
ihrer Feierlichkeit und ihres Sendungsbewußtseins weitgehend entledigten und
aus den hehren Priesterinnen Großstadtmädchen geworden waren, die es nicht als
Blasphemie empfanden wie diese profanen Geschöpfe Shimmy, Charleston und Black
Bottom zu tanzen, war Blanche voll und ganz dabei. Als sich später die
Lustbarkeit mehr in die Horizontale verlagerte, war sie nicht sonderlich
schockiert. Der Ausdruckstanz kannte manche ungewöhnliche expressive
Stellungskompositionen — nur soll sie sich, dem späteren Vernehmen nach, den
ihr entgegengestreckten Armen mit dem fröhlichen Ausruf: »Ich bin eine
Jungfrau, ich bin eine Jungfrau!« arglos entzogen haben, wobei sie in einer
bemerkenswert geschickten Choreographie tanzend der einen Gruppe entschlüpfte,
um sich umgehend aus einer anderen herauszuwinden, was zur Folge hatte, daß die
gesamte Gästeschar, nicht mehr voll ausgelastet mit der Mühe die restlichen
Kleidungsstücke abzulegen, in ein herzliches Lachen ausbrach und so die
Fortsetzung der eingeleiteten Gruppenpositionen und Arrangements zum Teil recht
erhebliche Verzögerungen erfuhr.
    Das fröhlich herausgekrähte
Bekenntnis, eine Jungfrau zu sein, war der beste Witz des fortgeschrittenen
Abends und natürlich glaubte ihr niemand. Als irgendwelche Hände versuchten,
ihr Kleid von den Schultern zu streifen und dabei ihren strategisch schwachen
Punkt, oder, wenn man will, ihren stärksten, weil am ängstlichst verteidigten
Punkt berührten, brauchte sie nur ihr munteres Bekenntnis zu wiederholen, um
diese Hände von weiteren unerwünschten Zofendiensten abzuhalten.
    Was sie dann weiter zu sehen
bekam, erfaßte sie nur noch als phantasievolle Assoziation. Nun ja, »Blumen des
Bösen«, Baudelaire und Verlaine, die süßen Mädchen von Lesbos, die »Lieder der
Bilitis«, das »Ende Sardanapals« — Delacroix — , das kannte man von Bildern,
wußte man aus der Literatur, Orgie klang so hübsch, weil es sich mit dem Wort
Orchidee, einem schönen, üppigen, aber als verrucht geltenden Lippenblütler
vermischte. (Für drastischere Bezeichnungen hatten die Zoten und Gemeinheiten
der Ankleide- und Duschräume längst ausreichend gesorgt, aber diese trafen für
das polyphone Geschehen, das sich hier ereignete und das sie nur durch einen
rosigen Nebel unklar wahrnahm, doch wohl nicht zu.)
    Dann gab es leere Stellen im
Gedächtnis, so, wie in der Presse der Tyranneien sich weiße Flecken in den
Zeitungen finden lassen. Sie glaubte kurz einen Prinz Albert gesehen zu haben,
fand sich aber dann an einer anderen Stelle in einem heimlichen Winkel in den
Armen eines gewissen Fabio, eines gutaussehenden Amerikaners italienischer
Herkunft, eines — das wußte sie genau — verdienstvollen Planers einer
Dancingschool in Milwaukee »in european style«, wie er versicherte, und es war
eigentlich alles ganz richtig und ließ sich gut an. Sie fand es ausgesprochen
angenehm, von diesem Latin lover kräftig in den Arm genommen und so heftig
gedrückt zu werden, daß sie am liebsten laut aufgeschrien hätte, sie fand es
ausgesprochen prima, daß man sie einmal von vorne packte und sich nicht
schmeichlerisch von rückwärts an ihren Hals hing, um Kontakt zu finden. Und sie
gab sich,

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