Das Filmbett
Mischung von komischer Märchenhexe und weiblichem
Gartenzwerg, deren untersetzte Figur mit dem dicken Po in abgewetzten Cordhosen
steckte, während der graue, unfrisierte Kopf in einem Tuch eingebunden war,
dessen eine Ecke nach oben wegstand wie das Ende einer Zipfelmütze. Aber sie
strahlte nichts Bösartiges aus, im Gegenteil, sie schien die Güte selbst. Das
Gespräch um diese gastfreundlich bemühte Heinzelfrau wandte sich von ihrer
Person allgemeineren Themen zu.
»Isch will doch ssum Film in
Tyskland«, sagte ein Mädchen. Blanche erinnerte sich: eine junge Dänin aus
Aarhus oder irgendwo.
»Ischt daz wahr, dasch ma da alle
Manne lieben musch, um ssu Rolle ssu komme?« fragte sie, und eine bekümmerte
Falte grub sich in ihre reine Stirn.
»Nö — müssen mußte jar nischt, aba
besser is et, du tust et, so wie ick die Ufa kenne«, meinte eine junge
Berlinerin mit offenbarer Erfahrung.
»Oh, du kennsch Frau Ufa«, sagte
tief beeindruckt die Dänin und war hochachtungsvoll. »Dasch isch aber traurig,
jede Mann liebe ssu müsse«, klagte das Kind aus dem Norden. »Wir Mädchen von
Jütland nehmen die Liebe ssehr, sehr eanst und komplissiert...«
»Dann lass et«, meinte die
Berlinerin lakonisch.
»Aber isch will doch ssum Film...«
»Dann tu et.«
»Aber man kann doch nur eine Mann
liebe«, beharrte die Stimme Jütlands.
»Na, hier hast du et jedenfalls
schon auf drei oder vier jebracht, soviel ick mir erinnere...«
Jütland war entrüstet. »Die habe
isch doch nicht geliiiiebt — mit dene hab isch doch nur geschlafen... dasch
ischt etwas ganss anderesch. Isch war geil wie Affensseisse.« — Aber nach
kurzem Nachdenken erhellte sich ihre Stirne wieder. »Oh, isch verschtehe — man
muß nicht lieben, nur schlafe... na, dann...« Und ihre Welt war offensichtlich
wieder in Ordnung.
Blanche fand den Zeitpunkt
gekommen, offiziell zu erwachen. Sie wurde herzlich und respektvoll begrüßt.
Sie verlor über ihr angeblich so großartig verlaufenes Husarenstück kein Wort
und man nahm — allerdings mit leichter Verdrossenheit — ihre Diskretion
taktvoll zur Kenntnis. Sie erfuhr, daß sich die hier befindliche Gruppe
irgendeinmal von der übrigen Gesellschaft abgespalten hatte, daß man sie
mitgenommen habe, als man sie schlafend im Wagen fand, hierher, wo der
Sonnenaufgang am schönsten war, zu der besten und teuersten Freundin, die ein
Mädchen aus Ascona haben konnte, dem einzigen wahren Kameraden — einem knorkken
Kumpel, wie die Berlinerin meinte, un vrai copain — und damit wurde sie der
Heinzelfrau vorgestellt, die Walentina Camarescu hieß. — »Sage aber nicht WC zu
mir, wie diese bösen Mädchen es gelegentlich tun«, ließ diese sich selbst
vernehmen. »Viola: l’innocente infernale... Blancheneige als
femme fatale... o quel drôle de drame... Ich bin entzickt... ma Petite, tu est
ravissante. Du bist ein kleiner filou... ein Gamin maleducaté...«, und
dabei strich sie ihr liebevoll über das Haar und gab ihr mit zwei Fingern einen
leichten Backenstreich. »Quelle piraterie... moi, je suis une femme pederaste,
vous savez — wenn du weißt, was ich meine...« Blanche wußte es zwar nicht,
nickte jedoch auf alle Fälle.
»Willst du etwas essen?« — Blanche
lehnte dankend ab, sie hätte keinen Hunger, und futterte infolgedessen nur
einen männerhandgroßen Block Käse, vier Landjäger und stopfte eine halbe Flöte
des köstlichen Weißbrotes in sich hinein.
»Oh, sie ist gierig, sie nimmt,
was sie kriegt... Ça me plait«, sagte Walentina. »Elle à la
nature d’un corsaire!«
Irgend etwas begann in Blanche zu
ticken... natürlich der Freibeuter, der unverschämte Prinz, und genüßlich
kauend, aber eingedenk ihrer künftigen Rolle als Männerfresserin, fragte sie
völlig beiläufig nach einem Prinzen, der sich ihr gestern genähert habe.
O nein, einen Prinzen gäbe es zur
Zeit nicht in Ascona, einige deutsche Grafen und Barone könne man bieten, einen
vertrottelten österreichischen Edlen von und zu, zwei hoffnungslos homosexuelle
Earls, das einzige Ehepaar am Ort, das sich treu sei, zwei Marquis, einen
Marchese. Ja, und natürlich die Prinzessin. Die Prinzessin? Ja, hier, Walentina
Camarescu, die rumänische Prinzessin, Bildhauerin, Malerin, Kunstgewerblerin,
Wahrzeichen von Ascona seit Anbeginn, aber der Prinz lebe in Berlin, schreibe
Drehbücher, empfange seine Mitarbeiter in Damenkleidern und lasse sich von
ihnen die Hand küssen... Nein, Prinzen gäbe es zur Zeit nicht..., aber
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