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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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durch Angst und wimmernde Abscheu kleinmachen würde –, sie konnte sich, als sie schließlich vor dem Mann stand, das Zittern nicht versagen. Als der Brenner ihre Wange betätschelte und ihr mit seinen rauhen, aber erstaunlich fein tastenden Fingern durch das Haar fuhr, da hielt sie – auch wenn sie die Fäuste ballte, dass sich ihre Fingernägel in die Handflächen bohrten – seinem Blick nicht stand, da bebte ihr im Ekel herabgezogener Mund, ihre Lider flatterten, die Augen versuchten zur Seite wegzublicken und drohten, sich mit Tränen zu füllen.
    Den Brenner störte das nicht. Er hatte schon zu viele Frauen so vor sich stehen gehabt. Denn es war sein Tal hier oben. Und eine, die zur Braut wurde, die schuldete ihm die erste Freude und Pflicht ihres Frauseins. Die hatte bei ihm zu liegen. Bis sie mit Kind war. Und erst wenn das Kind auf der Welt war, und lebte, dann durfte sie mitsamt dieses Kindes zu ihrem angetrauten Mann, und diesem gehören für den Rest ihrer Tage.
    Das war so ohne Ausnahme, und es war seit Jahren so gewesen. Er kannte die, die dieser Herrschaft mit schicksalsergebener, tierhafter Gleichgültigkeit gehorchten, so gut wie jene, die flehten und bettelten und sich sträubten. Und er nahm sie alle, ohne dass dies für ihn einen Unterschied machte.
    Der Brauch, er war für ihn selbst eine Notwendigkeit und Pflicht, die er unabhängig und oft frei von Leidenschaft durchführte. Er selbst gehorchte den Verpflichtungen seiner Macht, ohne an Lust und Gefallen viele Gedanken zu verschwenden. Und dennoch freute es ihn, wenn ihm eine der Frauen gefiel. Nicht, weil es seine Aufgabe leichter machte – die er ohne jede Rücksicht zu erfüllen verstand. Sondern weil er seine Macht stärker spürte, sie ihn mehr kitzelte und erhob, wenn er sie ausüben konnte über einen Menschen, der ihm schön, rein und begehrenswert erschien. Das Hässliche oder Gemeine zu unterwerfen war ihm weniger Bestätigung. Das, was über ihm stand, was eigentlich außerhalb seiner Reichweite hätte sein sollen, zu sich herabzuziehen, das erst erfüllte ihn ganz.
    Und hier gab es keinen Zweifel: Die Frau, die er da vor sich hatte, sie war stark und edel und schön.
    Mit ihr würde er sich Zeit lassen.
    Die Männer ritten nicht zu schnell. Offenbar wollten sie nicht riskieren, dass die Seile rissen oder ihr Opfer bereits den Weg nicht überleben würde. Oder dass sie es hinter sich verlieren würden, weil die Nägel und deren Halt in Fleisch und Knochen den Beanspruchungen nicht mehr standhielten. Doch hatte dies nichts mit Mitleid oder Schonung gemein. Es war eine zu gänzlich erbarmungslosem Zweck auferlegte Zurückhaltung.
    Die Dunkelheit und der Staub, den der Holzbalken aufwirbelte, machten es der Frau schwer, viel von ihrem Liebsten zu erkennen, obwohl der Schmied direkt hinter der grausigen Fracht ritt. Doch was ihr sich an Anblick bot, war auch so schon unerträglich: Von Hemd und Hose des Gemarterten waren nur Fetzen übrig; die schon vorher mit blauen Flecken bedeckten Glieder waren nun fast lückenlos übersät von Schürfungen und Prellungen. Sein Kopf rollte zwischen den unter Spannung gehaltenen Schultern scheinbar ohne Willen und Widerstand hin und her, und nur selten, wenn eine Unebenheit ihm einen besonderen Schlag versetzte, verrieten ein Aufzucken, ein schmerzhaftes Schnappen nach Luft, dass er das Bewusstsein noch nicht gänzlich verloren hatte.
    Schließlich näherte sich die Gruppe der fünf Pferde der kleinen Brücke, die über den Mühlbach führte. Ihr Trott wurde langsamer. Der Führende konnte sein Tier noch ohne Schwierigkeiten den Wasserlauf queren lassen. Doch die beiden folgenden Gäule mussten vorsichtig den schmalen Pfad entlang gelenkt werden – denn Seite an Seite fanden sie nur mühsam Platz nebeneinander, es durfte aber auch nicht der eine zu weit vor den anderen geraten, dass sich der Holzbalken nicht längs stellte und sich die Seile verhedderten.
    Da geschah es: Das Pferd des Bärtigen wurde nervös, wie es da mit seinem Hals am Hinterteil seines Artverwandten reibend vorwärtsdirigiert wurde, es wollte sich mehr Raum,wollte sich Fluchtmöglichkeit verschaffen. Und preschte mit einem kurzen, entschiedenen Ruck vor. Sein Reiter hatte es zwei Herzschläge später mit einem scharfen Riss am Zügel schon wieder unter Kontrolle, aber der eine Moment hatte gereicht, dass der Holzbalken mit seiner grausigen Last schräg über die Brücke gerissen wurde und sich seine eine Seite in dem Geländer

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