Das Flammende Kreuz
bereits geronnen, aber ich träufelte noch ein wenig von dem Whisky auf die Schnitte und wischte ihm mit meinem Taschentuch die Blutspuren von der Handfläche.
Er ließ sich schweigend von mir verarzten, doch als ich fertig war und zu ihm aufblickte, sah er mir schwach lächelnd in die Augen.
»Es ist schon gut, Sassenach«, sagte er.
»Wirklich?«, sagte ich. Ich durchforschte sein Gesicht; er sah müde, aber gelassen aus. Die schmale Falte, die ich während der letzten Tage zwischen seinen Augenbrauen gesehen hatte, war fort. Was auch immer er vorhatte, er hatte es begonnen.
»Dann hast du mich also gesehen?«, fragte er leise und studierte seinerseits mein Gesicht.
»Ja. Ist es - es hat mit dem Kreuz auf dem Hof zu tun, nicht wahr?«
»Oh, so könnte man es wohl sagen.«
»Wozu ist es gut?«, fragte ich unverblümt.
Er schürzte die Lippen und rieb sanft über Jemmys wundes Zahnfleisch. Schließlich sagte er: »Du hast niemals gesehen, wie Dougal MacKenzie den Clan gerufen hat, oder?«
Ich war mehr als verblüfft über diese Frage, antwortete jedoch vorsichtig.
»Nein. Ich habe einmal gesehen, wie Colum es getan hat-bei der Eidzeremonie in Leoch.«
Er nickte, und die Erinnerung an jene lang vergangene Nacht voller Fackeln spiegelte sich tief in seinen Augen.
»Aye«, sagte er leise. »Das weiß ich noch. Colum war der Häuptling, und wenn er rief, gab es keinen Zweifel, dass die Männer kommen würden. Aber es war Dougal, der sie in den Krieg geführt hat.«
Er schwieg kurz und sammelte seine Gedanken.
»Dann und wann gab es auch Raubzüge. Das war etwas anderes, oft nicht mehr als eine Laune, die Dougal oder Rupert überkam, möglicherweise ein Bedürfnis, das aus Alkohol oder Langeweile geboren wurde - eine kleine Gruppe, die genauso um des Spaßes willen loszog wie um des Viehs oder Korns willen. Aber den Clan zum Kriegszug zu versammeln, alle kampffähigen Männer - das war etwas Selteneres. Ich selbst habe es nur einmal erlebt, aber es war ein Anblick, den man nicht vergisst.«
Er war eines Morgens im Schloss erwacht, und das Kreuz aus Kiefernholz hatte dagestanden und ihn überrascht, als er den Schlosshof überquerte. Die
Bewohner von Leoch gingen ihren Geschäften nach wie üblich, aber niemand würdigte das Kreuz eines Blickes oder sprach es in irgendeiner Weise an. Und doch durchlief eine aufgeregte Strömung das Schloss.
Die Männer standen hier und dort in Gruppen zusammen und unterhielten sich leise, doch immer, wenn er sich einer solchen Gruppe anschloss, gingen sie sofort zu harmlosem Gerede über.
»Ich war zwar Colums Neffe, aye, aber ich war erst seit kurzem auf der Burg, und sie kannten meinen Vater und meinen Großvater.« Jamies Großvater väterlicherseits war Simon, Lord Lovat - der Anführer der Frasers von Lovat und kein besonderer Freund der MacKenzies von Leoch.
»Ich konnte nicht sagen, was vor sich ging, aber irgendetwas war jedenfalls im Gange; jedes Mal, wenn ich den Blick eines anderen auffing, stellten sich die Haare auf meinen Armen auf.« Schließlich war er in den Stall gegangen, wo er den Alten Alec traf, Colums Stallmeister. Der Alte war ein großer Verehrer Ellen MacKenzies gewesen, und er war um ihret- wie um Jamies selbst willen freundlich zu ihrem Sohn.
»Das ist das flammende Kreuz, Junge«, hatte er zu Jamie gesagt, ihm einen Striegel zugeworfen und mit einem Ruck seines Kopfes auf die Boxen gewiesen. »Hast du das denn noch nie gesehen?«
Es war alt, hatte er gesagt, einer jener Bräuche, die schon seit Jahrhunderten befolgt wurden, ohne dass irgendjemand wusste, wo sie herkamen und wer damit begonnen hatte oder warum.
»Wenn ein Highlandhäuptling seine Männer zum Krieg ruft«, hatte der alte Mann gesagt, während er mit seiner knorrigen Hand geschickt durch die verknotete Mähne eines Pferdes fuhr, »lässt er ein Kreuz anfertigen und steckt es in Brand. Man löscht es sofort, weißt du, mit Blut oder Wasser - aber man nennt es trotzdem das flammende Kreuz, und es wird dann durch die Täler und Schluchten getragen, ein Zeichen für die Männer des Clans, zu den Waffen zu greifen und sich an den Sammelplatz zu begeben, bereit zum Kampf.«
»Aye?«, hatte Jamie gesagt und die Aufregung in seiner Bauchhöhle gespürt. »Gegen wen kämpfen wir denn? Wohin reiten wir?«
Die zerfurchte Stirn des alten Mannes hatte sich in beifälliger Belustigung über dieses »wir« gekräuselt.
»Du gehst, wohin dein Häuptling dich führt, Junge. Aber heute Nacht
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