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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihr Fischbeinkorsett ächzte.
    Berühre ihn. Sprich mit ihm. Lass ihn spüren, dass du bei ihm bist . Das war es, was Claire während der blutigen Prozedur gesagt hatte, die auf den spontanen Luftröhrenschnitt folgte. Ihr Tonfall war drängend, aber auch irgendwie geistesabwesend gewesen.
    Sie wandte sich wieder zu Roger zurück und suchte vergeblich nach einer Stelle, die sie gefahrlos berühren konnte. Seine Hände waren geschwollen wie aufgepustete Handschuhe und voller bläulich-roter Blutergüsse. Seine zerquetschten Finger waren fast schwarz, und die Seilspuren hatten sich so tief in das rohe Fleisch seiner Handgelenke gegraben, dass sie das unangenehme Gefühl hatte, das Weiße seines Knochens sehen zu können. Sie sahen unwirklich aus, lausiges Make-up für ein Horrorstück.
    Sie waren zwar grotesk, aber immer noch besser als sein Gesicht. Es war ebenfalls geschwollen und voller Blutergüsse, und ein gruseliger Kragen aus Blutegeln hing unter seinem Kinn, doch es war auch auf subtilere Weise deformiert, wie ein unheimlicher Fremder, der vorgab, Roger zu sein.
    Seine Hände waren ebenfalls reichlich mit Blutegeln verziert. Er musste sämtliche Blutegel am Körper tragen, die zu finden gewesen waren, dachte sie. Claire hatte Josh zu den anderen Feldärzten geschickt, um sie um ihre Vorräte zu bitten, und ihn dann zusammen mit den beiden Findlay-Jungen zum Fluss geschickt, wo sie am Ufer planschend hastig nach weiteren Egeln gesucht hatten.
    Achte auf seine Atmung . Das konnte sie tun. Sie setzte sich so leise wie möglich hin, denn sie verspürte ein obskures Bedürfnis, ihn nicht zu wecken. Sie legte ihm ganz leicht eine Hand aufs Herz und seufzte tief vor Erleichterung, dass er sich warm anfühlte. Er zog eine kurze Grimasse, als er ihren Atem in seinem Gesicht spürte, spannte sich an, dann entspannte er sich wieder.
    Sein Atem dagegen war so flach, dass sie ihre Hand wieder fortzog, weil sie das Gefühl hatte, allein der Druck ihrer Handfläche auf seiner Brust könnte ihrem mühseligen Heben und Senken ein Ende setzen. Doch er atmete tatsächlich; sie konnte das schwache Pfeifen der Luft in dem Röhrchen in seiner Kehle hören. Claire hatte Mr. Caswells importierte, englische Pfeife konfisziert und rücksichtslos den Bernsteinstiel abgebrochen. Hastig mit Alkohol gespült, war er zwar immer noch voller Tabaksaftflecken, aber er schien seine Aufgabe gut zu erfüllen.
    Zwei Finger an Rogers rechter Hand waren gebrochen, all seine Nägel vom Kratzen blutig, zersplittert oder abgerissen. Ihr schnürte sich die Kehle zu, als sie daran erkannte, wie heftig er um sein Leben gekämpft hatte. Sein
Zustand schien so auf Messers Schneide zu stehen, dass sie zögerte, ihn zu berühren, als könnte sie ihn so erschrecken, dass er eine unsichtbare Kante zwischen Tod und Leben überschritt. Und doch verstand sie, was ihre Mutter meinte; es war genauso gut möglich, dass ihn eben diese Berührung im Diesseits hielt, ihn davon abhielt, im Dunklen über jene Kante zu stolpern.
    Sie drückte ihm fest den Oberschenkel und registrierte beruhigt, wie solide sich der lange, geschwungene Muskel unter der Decke anfühlte, die seinen Unterkörper wärmte. Er machte ein leises Geräusch, spannte sich an und entspannte sich wieder. Einen surrealen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie seine Genitalien umfassen sollte.
    »Dann wüsste er wirklich, dass ich hier bin«, murmelte sie und unterdrückte ein hysterisches Bedürfnis zu lachen. Sein Bein zitterte sacht beim Klang ihrer Stimme.
    »Kannst du mich hören?«, fragte sie leise und beugte sich vor. »Ich bin hier, Roger. Ich bin’s - Brianna. Keine Sorge, du bist nicht allein.«
    Ihre Stimme klang seltsam; zu laut, steif und befangen.
    »Bi socair, mo chridhe, sagte sie und entspannte sich ein wenig. » Bi samnach, tha mi seo .«
    Irgendwie war es leichter, ihn auf Gälisch zu beruhigen, denn die Formalität dieser Sprache bildete einen dünnen Damm gegen die Intensität der Gefühle, die sie zu überfluten drohten, wenn sie losgelassen wurden. Liebe, Angst und Wut - zu einer derart starken Mixtur verquirlt, dass ihre Hand zitterte.
    Plötzlich merkte sie, dass ihre Brüste geschwollen waren und vor lauter Milch schmerzten; sie hatte in den vergangenen Stunden nicht einmal Zeit gehabt, daran zu denken, ganz zu schweigen davon, den Druck tatsächlich zu lindern. Ihre Brustwarzen kniffen und kitzelten bei der Vorstellung, und sie biss die Zähne zusammen, als sich ein kleiner

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