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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Milchstrahl in ihr Mieder ergoss und sich mit ihrem Schweiß vermischte. Alles zog sie zu Roger hin, und plötzlich hätte sie ihn am liebsten gestillt, ihn an ihrer Brust gewiegt, so dass das Leben von ihr zu ihm hinüber floss.
    Berühre ihn . Sie vergaß ganz, ihn zu berühren. Sie streichelte seinen Arm, drückte ihm sanft den Unterarm und hoffte, sich so von ihrer misslichen Lage abzulenken.
    Er schien ihre Hand auf seinem Arm zu spüren; sein Auge öffnete sich ein wenig, und sie glaubte, in seinen Tiefen das Bewusstsein aufflackern zu sehen, dass sie da war.
    »Du siehst aus, wie die männliche Ausgabe der Medusa«, sprach sie den ersten Gedanken aus, der ihr durch den Kopf ging. Seine dunkle Augenbraue zuckte sacht nach oben.
    »Die Blutegel«, sagte sie. Sie berührte einen Egel an seinem Hals, und er zog sich träge zusammen, halb vollgesogen. »Ein Bart aus Schlangen. Kannst du sie spüren? Stören sie dich?«, fragte sie, bevor ihr wieder einfiel, was ihre
Mutter gesagt hatte. Doch seine Lippen bewegten sich und formten unter sichtlicher Anstrengung ein tonloses »Nein«.
    »Nicht sprechen.« Sie drückte ihm rasch einen Kuss auf die Lippen, eine kaum spürbare Berührung. Sein Mund zuckte; sie hatte den Eindruck, dass es ein Lächeln sein sollte.
    Sie hätte ihn am liebsten angebrüllt. Was ist passiert? Was zum Teufel hast du GETAN? Doch er konnte nicht antworten.
    Plötzlich packte sie die Wut. Da sie an die Leute in der Nähe des Zeltes dachte, brüllte sie nicht, sondern beugte sich über ihn, packte seine Schulter - die eine der einigermaßen unbeschädigten Stellen zu sein schien - und zischte in sein Ohr. »Wie in Gottes Namen hast du das angestellt?«
    Er drehte langsam die Augen in ihre Richtung und heftete sie auf ihr Gesicht. Er zog eine leichte Grimasse, die sie ganz und gar nicht interpretieren konnte, und dann begann die Schulter unter ihrer Hand zu vibrieren. Sie starrte ihn ein paar Sekunden völlig perplex an, bis sie begriff, dass er lachte. Er lachte!
    Das Röhrchen in seiner Kehle wackelte und machte ein leises Keuchgeräusch, und das brachte das Fass zum Überlaufen. Sie stand auf, beide Hände auf ihre schmerzenden Brüste gepresst.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie. »Komm bloß nicht auf die Idee, hier wegzugehen, verdammt noch mal!«

72
    Zunder und Kohle
    Gerald Forbes war ein erfolgreicher Anwalt, und normalerweise sah man ihm das auch an. Selbst in seiner Feldausrüstung und mit Schießpulverruß im Gesicht strahlte er noch immer eine solide Ruhe aus, die ihm als Milizhauptmann gute Dienst tat. Diese konnte man zwar auch jetzt noch ahnen, doch er machte einen sichtlich beklommenen Eindruck, als er im Zelteingang stand und seine Hutkrempe wieder und wieder ein- und ausrollte.
    Anfangs vermutete ich, dass es nur die Beklommenheit war, die viele Menschen in Gegenwart Kranker überkommt - oder vielleicht machten ihn ja auch die Umstände verlegen, unter denen Roger verletzt worden war. Doch offensichtlich war es etwas anderes; er hatte auch für Brianna, die an Rogers Bett saß, nur ein knappes Kopfnicken übrig.
    »Mein Mitgefühl, Ma’am«, sagte er, dann wandte er sich sofort an Jamie. »Mr. Fraser. Wenn ich bitten dürfte - ein Wort? Und Mrs. Fraser ebenfalls«, fügte er mit einer ernsten Verneigung in meine Richtung hinzu.

    Ich sah Jamie an, und auf sein Nicken hin erhob ich mich und griff dabei automatisch nach meiner Ausrüstung.
    Es gab nicht viel, was ich tun konnte, das war eindeutig. Isaiah Morton lag in Forbes’ Zelt auf der Seite. Sein Gesicht war totenbleich und mit einem Schweißfilm überzogen. Er atmete noch, aber sehr langsam und mit einem schauderhaften Gurgeln, das mich unangenehm an das Geräusch erinnerte, als ich Rogers Kehle durchbohrte. Er war nicht bei Bewusstsein, was mir nur lieb war. Ich untersuchte ihn flüchtig, dann hockte ich mich auf die Fersen und wischte mir mit dem Saum meiner Schürze den Schweiß aus dem Gesicht; der Abend hatte sich nicht nennenswert abgekühlt, und es war eng und heiß im Zelt.
    »Lungendurchschuss«, sagte ich, und beide Männer nickten, obwohl klar war, dass sie das beide bereits wussten.
    »Und zwar von hinten«, sagte Jamie mit grimmiger Stimme. Er sah Forbes an, der mit dem Kopf nickte, ohne den Blick von dem Verletzten abzuwenden.
    »Nein«, sagte dieser leise als Antwort auf eine unausgesprochene Frage. »Er hat nicht versucht zu desertieren. Und es war ein Frontalangriff - es waren keine anderen Kompanien

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