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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gewischt, die von Tränen und einer langen, durchwachten Nacht gerötet waren. »Nicht einmal gottesgläubig. Aber sie hat so gern gesungen, und Eure Sangeskünste sehr bewundert, MacKenzie.«
    Roger hatte noch nie ein caithris gesungen, und ich wusste auch, dass er noch nie eins gehört hatte. »Keine Sorge«, hatte Jamie ihm zugemurmelt und ihm die Hand auf den Arm gelegt, »es reicht, wenn’s schön laut ist.« Roger hatte den Kopf in ernster Zustimmung gesenkt und war mit Jamie und Kenny zum Mälzboden gegangen, um dort mit ihnen Whisky zu trinken und so viel wie möglich über Rosamunds Leben zu erfahren, damit er ihren Tod besser beklagen konnte.
    Der heisere Gesang verstummte; der Wind hatte sich gedreht. Es lag an dem Sturm, dass wir sie so früh gehört hatten - sie waren jetzt wohl bergab unterwegs, um die Trauergäste aus den verstreuten Blockhütten abzuholen und sie dann in einer Prozession zum Haus hinaufzuführen, wo sie die ganze Nacht feiern und singen und sich Geschichten erzählen würden.
    Bei diesem Gedanken gähnte ich unwillkürlich so herzhaft, dass mein Kiefer knackte. Das würde ich niemals durchhalten, dachte ich bestürzt. Ich hatte am Morgen ein paar Stunden geschlafen, aber nicht so lange, dass es für eine ausgewachsene gälische Totenwache nebst Begräbnisfeier reichen würde. Im Morgengrauen würde der Fußboden mit Schläfern übersät sein, die nach Whisky und feuchten Kleidern rochen.
    Blinzelnd gähnte ich erneut, und als ich dann den Kopf schüttelte, um ihn wieder klar zu bekommen, verschwamm es mir vor den Augen. Jeder Knochen meines Körpers schmerzte vor Erschöpfung, und es gab nichts, was ich mir sehnlicher wünschte, als für ein paar Tage ins Bett zu gehen.
    In meine Gedanken vertieft, hatte ich nicht bemerkt, dass Brianna zu mir gekommen war und sich hinter mich gestellt hatte. Ihre Hände senkten sich auf meine Schultern, und sie trat noch näher an mich heran, so dass ich die Wärme ihrer Berührung spürte. Marsali war gegangen; wir waren allein. Sie begann, mir die Schultern zu massieren, und ihre langen Daumen bewegten sich langsam an meinen Halsmuskeln aufwärts. »Müde?« fragte sie.
    »Mm. Geht so«, sagte ich. Ich schloss das Buch, lehnte mich zurück und gab mich für den Augenblick der schieren Entspannung hin, die ihre Berührung brachte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich so verkrampft gewesen war.

     
    Das große Zimmer war still und aufgeräumt, bereit für die Totenwache. Mrs. Bug kümmerte sich um das Barbecue. Die Mädchen hatten ein Kerzenpaar angezündet, an jedem Ende des schwer beladenen Tisches eine, und als sich die Kerzenflammen jetzt einem plötzlichen Luftzug beugten, huschten Schatten über die weiß gekälkten Wände und den stillen Sarg.
    »Ich glaube, ich habe sie umgebracht«, sagte ich plötzlich, ohne es vorgehabt zu haben. »Es war das Penizillin, woran sie gestorben ist.«
    Die langen Finger unterbrachen ihre lindernde Bewegung nicht.
    »Ach ja?«, murmelte sie. »Aber dir ist doch nichts anderes übrig geblieben, oder?«
    »Nein.«
    Ein leiser Schauer der Erleichterung durchlief mich, nicht nur in Folge des direkten Geständnisses, sondern auch, weil sich die schmerzhaften Verspannungen in meinem Hals und meinen Schultern allmählich lösten.
    »Schon gut«, sagte sie leise, während sie mich massierte und streichelte. »Sie wäre doch sowieso gestorben, oder? Es ist traurig, aber du hast nichts Falsches getan. Das weißt du doch.«
    »Ja, ich weiß.« Zu meiner Überraschung lief mir eine einzelne Träne über die Wange und tropfte auf die Buchseite, deren Papier an der Stelle aufquoll. Ich kniff die Augen fest zu und rang um meine Selbstbeherrschung. Ich wollte Brianna nicht nervös machen.
    Sie war nicht nervös. Ihre Hände hoben sich von meinen Schultern, und ich hörte die Beine eines Hockers über den Boden schaben. Dann legte sie die Arme um mich, und ich ließ mich von ihr nach hinten ziehen, bis mein Kopf direkt unter ihrem Kinn ruhte. Sie hielt mich einfach nur fest, überließ mich dem beruhigenden Heben und Senken ihrer Atmung.
    »Ich bin einmal mit Onkel Joe Abendessen gewesen, als er gerade einen Patienten verloren hatte«, sagte sie schließlich. »Er hat mir erzählt, wie das ist.«
    »Wirklich?« Ich war ein wenig überrascht; ich hatte nicht gedacht, dass Joe sich mit ihr über solche Dinge unterhalten hatte.
    »Eigentlich hatte er das gar nicht vor. Aber ich konnte sehen, dass ihm etwas Kummer machte, also

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