Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
er sich weiter geduldig den Ast hinauf, an dessen Spitze drei kleine Vögel saßen. Wie ihr Jäger schienen auch sie keine Gefahr zu erkennen.
Isgrimnur tauschte mit Cadrach den Platz am Bug, versuchte, sich einen möglichst festen Halt zu verschaffen, und beugte sich vor. Der Ghant schien das auf ihn zuschwimmende Boot jetzt zu sehen. Seine schwarzen Augen glitzerten, und er wiegte sich hin und her, als versuche er herauszufinden, ob das, was sich da näherte, als Bedrohung oder Mahlzeit zu betrachten sei. Als Isgrimnur den Schilfspeer hob, schien der Ghant sich entschieden zu haben. Er machte kehrt und krabbelte auf den Stamm des Baums zu.
»Jetzt, Isgrimnur!«, rief Miriamel. Der Rimmersmann schleuderte den Speer, so fest er konnte. Die Wucht des Wurfs ließ das Boot gefährlich schaukeln. Kreischend und flügelschlagend stiegen die Vögel vom Ast auf. Der Speer zischte durch die Luft, gefolgt voneinem Stück von Tiamaks kostbarem Seil, traf auch den Ghant, drang aber nicht durch seinen Panzer. Die Waffe prallte ab und fiel ins Wasser, aber der Stoß war so kräftig gewesen, dass er das Tier vom Ast stürzte. Klatschend fiel es in den grünlichen Fluss und tauchte gleich darauf wild zappelnd wieder auf. Dann beruhigte es sich und begann mit sonderbar ruckartigen Bewegungen ans Ufer zu schwimmen.
Rasch stakte Cadrach das Boot vorwärts, bis sie neben ihm waren. Isgrimnur bückte sich und versetzte ihm zwei harte Hiebe mit der flachen Klinge. Als er wieder nach oben kam, sichtlich zu keiner Gegenwehr mehr imstande, schlang der Herzog Tiamaks Seil um ein Klauenbein, damit sie ihn ans Ufer ziehen konnten.
»Will das Vieh nicht im Boot haben«, erklärte er. Miriamel hörte nichts lieber.
Der Ghant schien tot zu sein. Der Panzer des knolligen Kopfes war zersprungen, und graue und blaue Flüssigkeit lief heraus. Trotzdem kamen sie ihm nicht zu nahe und benutzten die Steuerstange, um ihn im Sand des Ufers auf den Rücken zu drehen. Camaris blieb im Boot, schien aber ebenso neugierig zuzuschauen wie die anderen.
Isgrimnur machte ein finsteres Gesicht. »Gott steh uns bei. Hässliche Scheusale sind das.«
»Euer Speer konnte ihn nicht töten.« Miriamels Zuversicht schwand zusehends.
Isgrimnur winkte beruhigend mit der Hand. »Die Biester haben einen dicken Panzer. Ich muss die Speere ein bisschen schwerer machen. Mit einem Stein am Ende sollte es gehen. Macht Euch nicht mehr Sorgen als nötig, Prinzessin. Es wird schon gehen.«
Seltsamerweise glaubte sie ihm und fühlte sich sofort besser. Isgrimnur hatte sie stets wie eine bevorzugte Nichte behandelt, und sie ihrerseits begegnete ihm mit einer liebevollen, spöttischen Vertrautheit, die sie Elias nie entgegenbringen konnte. Sie wusste, dass er sein Bestes geben würde, um sie alle in Sicherheit zu bringen. Obwohl er sich von seinen Kameraden und sogar den Leibeigenen seines Hauses wegen seiner heftigen, aber flüchtigen Wutausbrüche und der darunter versteckten Weichherzigkeit bereitwillig neckenließ, war der Herzog ein ungewöhnlich tüchtiger und kluger Mann. Wieder war Miriamel dankbar, ihn an ihrer Seite zu wissen.
»Hoffentlich behaltet Ihr recht.« Sie griff nach seiner breiten Tatze und drückte sie.
Alle betrachteten den toten Ghant. Miriamel konnte jetzt erkennen, dass er doch sechs Beine hatte wie ein Käfer und nicht nur vier, wie sie angenommen hatte. Die beiden Beine, die sie bei ihrem ersten Ghant übersehen hatte, waren winzig und verkümmert und saßen unmittelbar unter der Stelle, an der der halslose Kopf in den gerundeten Körper überging. Der Mund war hinter einem eigentümlich federartigen Fransensaum versteckt, die Schale stumpf und ledrig wie ein Meeresschildkrötenei.
»Dreht Euch um, Prinzessin«, sagte Isgrimnur und hob Kvalnir. »Das ist nichts für Euch.«
Miriamel hätte beinahe gelächelt. Was glaubte er denn, wie sie das letzte halbe Jahr verbracht hatte? »Fangt nur an. Ich bin nicht empfindlich.«
Der Herzog senkte das Schwert, setzte es auf den Bauch des Ghant und stieß zu. Der Ghant rutschte ein Stück durch den Schlamm. Isgrimnur knurrte und stemmte den Fuß gegen den Kadaver, bevor er ein zweites Mal zustieß. Diesmal schaffte er es, den Panzer mit der Klinge zu durchbohren. Ein leises Knacken ertönte, und ein salzig-saurer Geruch verbreitete sich. Miriamel wich einen Schritt zurück.
»Die Schalen sind hart«, bemerkte Isgrimnur nachdenklich, »aber sie lassen sich durchdringen. Ich hatte schon Angst, wir müssten
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