Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
der Armreife von Dietrich und dem Medaillon der Herrin Aliénor.
Abram seinerseits verkaufte lieber nachwachsende Kostbarkeiten. »Das Geschäft läuft glänzend!«, strahlte der junge Mann und hielt Gerlin und Miriam eine reich gefüllte Börse entgegen. »Allein heute Vormittag habe ich zehn Amulette mit einem Fingerabdruck des Heiligen Eligius losgeschlagen. Schutzpatron der Hufschmiede, falls er euch nicht geläufig ist. Bewahrt vor dem vorzeitigen Verlust von Hufeisen ...« Der Schlamm auf den Pfaden sog den Pferden die Eisen von den Hufen. »Dazu kamen sieben der geschätzten Fußnägel des heiligen Christophorus. Das Geschäft wird in Paris noch besser laufen. Schließlich ist der Fußnagel ja mehr ein Handelsgut für den gemeinen Soldaten ...«
Miriam musste lachen. »Und wo schaffst du die Dinger so zahlreich her?«, erkundigte sie sich. »Ich meine ... die Leute werden ihre Amulette doch vergleichen. Irgendwann kommt raus, dass du mehr als zehn verkauft hast!«
Abrams langes Gesicht nahm einen verklärten Ausdruck an, seine Augen schienen Wunder in der Ferne zu erblicken.
»So lasst mich Euch das Geheimnis verraten, Herrin, das nur wenige Mönche irgendwo im hintersten Kleinasien eifersüchtig hüten. In einer Grotte dort, geschützt von Felsen und Meer, steht eine Statue des heiligen Christophorus, deren Zehennägel beständig wachsen. Drei Mönche sind nur mit der Pflege seiner Füße beschäftigt, die ...« Abram sprach ernst, mit verschwörerischem Tonfall.
»Wirklich?«, fragte Gerlin verwirrt.
Abram grinste und schob sich sein wirres strohblondes Haar aus dem Gesicht. »Eher nicht. Aber kennen wir die Geheimnisse eines jeden kleinasiatischen Klosters? Jedenfalls kassiere ich für jeden Fußnagel drei Groschen. So schnell können meine gar nicht nachwachsen.«
Abrams Geschäfte mit Herrn Charles' Tross waren tatsächlich nur der Anfang einer erfolgreichen Handelsperiode. Kurz vor Paris gerieten die Pilger in ein regelrechtes Heer von Rittern und Fußsoldaten, das vor der Stadt gesammelt und dann später von König Philipp gegen Richard Plantagenet geführt werden sollte.
Salomon hatte morgens und abends Patienten, er kam kaum nach mit dem Mischen der Medizin. Gerlin half ihm, Umschläge mit Wein und Einreibungen mit Kampfer vorzunehmen, kochte Tees gegen Erkältungen und erstellte Kräuterpflaster gegen Blasen.
Abram kürzte derweil seine Fußnägel und half sich schließlich mit Erde aus Lykien, über die der heilige Christophorus angeblich gewandert war.
»Ist auch besser so«, bemerkte Salomon schließlich trocken. »Sonst muss ich dir noch ein Mittel gegen deine blutenden Zehen anrühren!«
Kapitel 10
O bwohl es weiter regnete und Dietmar sogar nieste und hustete - laut Salomon nicht bedenklich -, fühlte sich Gerlin in den letzten Tagen der Reise nach Paris wohler und sicherer als in den Wochen zuvor. Die Bedrohung durch Berthold von Bingen schien ausgestanden, der Ritter hatte anderes zu tun, als Gerlin und Salomon aufzulauern. Zwar hielt sich die ursprünglich angeheuerte Eskorte noch in der Umgebung von Martinus und seiner Reisegesellschaft - schließlich war ihr Sold noch nicht ausgezahlt -, aber sie gesellten sich auch oft zu anderen Rittern und schienen fest entschlossen, in Paris zu den Truppen des Königs zu stoßen. Dabei plagten sie keine moralischen Bedenken wie den jungen Charles, der jetzt doch eher dazu tendierte, sich König Richard anzuschließen. Gerlin hoffte, mit ihm und seinen Leuten in Richtung Tours weiterreisen zu können. Dazu musste es Abram allerdings gelingen, Miriam in Paris unterzubringen, schließlich wollte der Ritter bald weiter.
Herr Martinus dagegen plante einen längeren Aufenthalt in Paris - an Miriam zeigte er kein Interesse mehr. Er musste schließlich Beziehungen spielen lassen, um Herrn Leopold in einer der Schulen im Bereich des Petit Pont oder der Montagne Sainte-Genevieve unterzubringen. Falls er dazu Geld brauchte, so sollte es daran nicht mangeln. Der Magister war zurzeit noch intensiver beschäftigt als Salomon mit seiner Heilkunst und Abram mit der Erstellung von »Echtheitszertifikaten« für seine Reliquien. Jeder Ritter wünschte zu erfahren, ob das Glück ihm in den bevorstehenden Kämpfen hold sein würde, und für die Sterndeutung zahlten sie erheblich besser als für medizinische Versorgung.
»In Paris gab es früher große jüdische Herbergen«, tröstete Salomon Gerlin, die sich wegen Dietmars Husten sorgte. »Es ist
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