Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
mochten ortsansässige Gauner sein, die Passanten gern mal um ihre Börse erleichterten, aber die noch oder schon wieder berauschten Kerle in den Gassen waren wohl größtenteils Soldaten, sehr oft Ritter. Dem einfachen Soldaten fehlte es an Geld für eine Nacht im Hurenhaus.
»Ach ja, die Gegend wird immer schlechter«, seufzte die Meisterin des Badehauses, eine wachsame Frau in mittlerem Alter, die Miriam auf ein Klopfzeichen hin einließ. Die Herbergswirtin hatte ihr den Code verraten, und ihr Name diente auch als weitere Referenz. »Früher haben hier eigentlich nur Juden gelebt, aber jetzt ... eine Schenke öffnet neben der anderen, die vielen Soldaten wollen ja ihren Sold loswerden. Ob meine Kundinnen da Freiwild werden, schert die Stadtbüttel wenig. Dabei sind es jetzt meist Christinnen. Für die Jüdinnen damals haben sie noch weniger Aufwand getrieben.«
Abram jedenfalls postierte sich jetzt unauffällig in einem Torbogen in der Nähe der Mikwe, um auf Miriam zu warten und auch anderen Frauen zu Hilfe kommen zu können, falls sie auf dem Weg ins Badehaus belästigt wurden. Müßig betrachtete er den Eingang des schmalen, zwischen zwei ähnlichen Bauten eingepferchten Steinhauses. Die Gebäude nebenan waren höher, anscheinend Wohnhäuser, deren Mieter sicher auch nicht begeistert von der Nähe des aufstrebenden Vergnügungsviertels waren. Gleich um die Ecke lagen zwei Schenken, in denen es selbst um diese Zeit noch oder schon wieder rumorte.
Die Straße vor dem Badehaus blieb aber zunächst still. Anfänglich kamen nur gelegentlich ein paar Hübschlerinnen mit oder ohne Freier vorbei, erschöpfte, ausgemergelte Mädchen, die dem Eingang zum Badehaus höchstens einen begehrenden Blick widmeten. Wahrscheinlich stand es ihnen tagsüber offen, aber diese Frauen verdienten kaum genug zum Leben. Ein Bad in einem ehrbaren Haus wie diesem konnten sie sich nicht leisten - selbst wenn die Betreiberin Mitleid gehabt und sie eingelassen hätte. Abram begann, sich zu langweilen, aber dann hörte er Schritte und das Klirren von Waffen und Rüstungen.
Der junge Mann legte die Hand an sein Schwert. Hier näherten sich offensichtlich gepanzerte Ritter - etwas torkelnd allerdings und ungeschickt: Die Männer, die eben im Kettenhemd um die Ecke kamen, waren zweifellos schwer betrunken.
»Das soll 'n Judenbad sein?«, fragte der eine gerade. »Aber Ihr habt ... also ... Euer König hat die doch alle rausgeschmissen?« Der Mann, ein vierschrötiger, sehr großer Ritter, sprach französisch, aber ein schlechtes mit starkem Akzent. Abram kam seine Stimme bekannt vor.
»Wenn ich's Euch doch sag! Das war 'n Judenbad, eins für Weiber, und ich wett mit Euch allen, dass es noch eins ist. Welches Christenweib schleicht sich denn nachts in den Badezuber? Das würd ihr Gatte gar nicht gestatten, wenn er halbwegs ehrbar ist. Und die Betreiber haben's auch behalten. Sind natürlich jetzt Christen oder nennen sich so. Aber die ... die ändern sich nicht, die Heb ... Hebräer.« Auch dieser Mann sprach mit schwerer Zunge, war allerdings sicher Franzose.
»Und da willste jetzt rein?« Ein Dritter. Sein Akzent war nicht auszumachen. »Was soll denn da spaßig dran sein?«
»Da ist nix dran spaßig. Das ist ernst. Wir decken das jetzt auf! Die ... die Alte, die das leitet, kommt ins Feuer. Und die Mädchen ... Na ja, bevor wir die Stadtbüttel rufen, können wir uns ja noch 'n bisschen vergnügen ...« Das war wieder der Zweite.
»Meine Männer und ich wollen keinen Ärger!« Der Erste. »Wir wollen in die Armee des Königs, und ...«
»Na, da könnt ihr doch keine bessere Eintrittskarte kriegen als ein ausgehobenes Judenloch! Gibt gleich 'ne Belobigung ... Kommt, Männer, die Weiber sind leichte Beute ...«
Abram hatte das Gefühl, in der Zeit zurückgeworfen zu werden. Er war wieder so hilflos wie noch wenige Tage zuvor auf der Lichtung der Wegelagerer - nur, dass er sich diesmal sechs Rittern statt einer Horde schlecht ausgerüsteter Bauern gegenübersah.
Die Männer machten Anstalten, johlend an die Tür der Mikwe zu klopfen, aber die öffnete sich ohnehin gerade. Die Badewärterin verabschiedete Miriam - und fand sich erschrocken der Phalanx der Gepanzerten gegenüber.
»Kann ... kann ich Euch helfen, meine Herren? Ihr ... Ihr seid hier sicher falsch. Der ... der nächste Hurenwirt ...« Die Wirtin verneigte sich vor den Rittern.
Miriam blickte mit schreckgeweiteten Augen von einem zum anderen. Sie sah im Morgenlicht
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