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Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman

Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Stadt für Juden. Der jetzige König, Philipp II., konzentrierte seinen Hass zwar nicht allzu sehr auf die Hebräer - es war tatsächlich im Gespräch, er würde das Land wieder für sie öffnen -, aber sein Vorgänger, Ludwig VII. hatte viele von ihnen lebendig verbrennen lassen. Das Volk war dementsprechend wachsam: Ein entlarvter und gefangener Hebräer bedeutete Hinrichtung und Volksfest oder gleich Lynchjustiz, was dem Mob erfahrungsgemäß den meisten Spaß bereitete.
    »Willst du mit mir kommen?«, fragte Salomon etwas unwillig, als er in seine Stiefel stieg, während Gerlin ihren Mantel überwarf.
    Gerlin nickte. »Natürlich, ich lasse dich doch nicht allein. Zumal heute ...« Sie schenkte ihm einen zärtlichen Blick, und er nahm sich Zeit, sie noch einmal zu küssen.
    »Gerlin, es war die schönste Nacht meines Lebens. Müsste ich heute sterben, so stürbe ich glücklich. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, aber ...«
    Gerlin strich sanft über sein Gesicht und legte den Finger auf seine Lippen. »Darüber denken wir später nach. Aber irgendeine Lösung wird sich finden. Ganz sicher. Gott ... Dein Gott oder meiner oder unserer ... der einzige ewige Gott hat uns gesegnet. Was wir getan haben, kann vielleicht gegen menschliche Gesetze gewesen sein, aber nicht gegen Gottes Willen.«
    Salomon küsste sie noch einmal, äußerte sich aber nicht zu ihren Hoffnungen und ihrem Glauben. »Du hast Recht, wir müssen gehen. Was ist mit Dietmar?«
    Gerlin wollte ihren Sohn eigentlich mitnehmen, aber der Kleine wurde wach, als sie ihn aus dem Bett hob, und verlangte nachdrücklich nach seinem Brei. Etwas hilflos nahm Gerlin ihn mit in Madame Celestines Küche.
    »Ach, lasst ihn doch einfach hier, ich kann auf ihn aufpassen!« Die Herbergswirtin füllte eine große Kelle Griesbrei in eine Schale und gab verschwenderisch Honig dazu. Etwas so Gutes hatte Dietmar nicht gekostet, seit Gerlin Lauenstein mit ihm verlassen hatte. Er leckte sich eifrig die Lippen, nachdem die füllige, mütterliche Wirtin ihm ein Löffelchen davon in den Mund geschoben hatte. »Seht, er bleibt gern bei mir. Und ich hatte so lange kein Kind mehr im Arm.«
    In Frau Celestines Gesicht stand die Trauer um ihre Enkelkinder, die sie wahrscheinlich niemals sehen würde. Für die scheinkonvertierten Juden war es nur selten risikolos möglich, Briefe aus dem maurisch beherrschten Süden der hispanischen Halbinsel zu erhalten. Ein Besuch war gänzlich unmöglich.
    Gerlin überlegte kurz, aber Salomon drängte nun wirklich zum Aufbruch.
    »Wenn Madame Celestine Dietmar versorgt, wird sie sehen, dass er nicht beschnitten ist«, meinte Gerlin besorgt, während sie neben ihrem Geliebten durch die jetzt endgültig erwachenden Straßen der Stadt eilte.
    Die ersten Märkte öffneten bereits, die beiden mussten um Gemüsekarren herumlaufen, einem Käsehändler ausweichen, der riesige Käseräder zu seinem Stand rollte, und dabei stets Vorsicht walten lassen, um nicht unter den Schwall eines schwungvoll auf die Straßen entleerten Nachttopfes zu geraten.
    »Wir denken uns später etwas dazu aus«, meinte Salomon, ohne sich wirklich mit dem Problem zu beschäftigen.
    Trotz seiner Schimpfereien auf Abram wirkte er ernsthaft beunruhigt. Sein Neffe war ein Leichtfuß, aber mit Miriam meinte er es ernst. Es lag sicher nicht in seiner Absicht, das Mädchen zu kompromittieren, indem er es nach der Mikwe nicht brav in den Schoß der »Familie« zurückbrachte. Salomon jedenfalls schritt jetzt so schnell aus, dass Gerlin kaum mitkam - und verfiel in Laufschritt, als er aus Richtung des Frauenbades Schreie und Waffengeklirr hörte.
    »Lauf weg, Miri! Nun lauf doch endlich weg!«
    Salomon und Gerlin hörten Abrams atemlose Stimme, und Gerlin stand gleich darauf fassungslos vor der Szene, die sich ihnen bot. Vor dem Eingang eines schmalen, niedrigen Hauses, das wohl die Mikwe beherbergte, lag ein Ritter in seinem Blut, und Abram, sowie ein älterer Mann, wohl der Gatte der Betreiberin, lieferten sich einen tapferen, aber zweifellos aussichtslosen Schwertkampf mit dessen verbliebenen fünf Kumpanen. Miriam stand leichenblass und offenbar unfähig, sich zu rühren, an der Peripherie. Eine ältere Frau neben ihr schrie hysterisch, ein paar Passanten standen mit begierigem Interesse um die Kämpfenden herum. Sie wussten wohl nicht so recht, ob und auf welcher Seite sie sich einmischen sollten. Immerhin wurden Rufe laut wie »So hol doch einer die Stadtbüttel!«. Auf die

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