Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
hoffte, dass ihm der Schlag des Büttels nicht die Knochen zerschmettert hatte.
»Der Tatbestand ist klar!«, grinste der Schreiber. »Die Namen hätte ich jetzt noch gern - ach ja, und ihr könnt schon mal würfeln, wer die Kleine durchsuchen darf. So artig gekleidet, wie sie ist, wird sie sicher noch ein bisschen Schmuck und Geld verborgen haben!
Die Männer durchsuchten als Ersten Abram, nahmen ihm sein Messer und seine Stiefel weg und ließen ein paar Geldstücke in die eigenen Taschen wandern. Es wäre sowieso nicht genug gewesen, um irgendjemanden zu bestechen ... Gerlin überlegte, ob sie vielleicht wenigstens Dietrichs Goldreif verstecken konnte, da griff auch schon die schmutzige Hand eines der Büttel nach ihrem Medaillon.
»Was haben wir denn hier anstelle des Kreuzleins, welches ein braves Christenweib im Ausschnitt trägt?«
Der Mann klappte das Medaillon auf, konnte mit der Miniatur darin aber offensichtlich nichts anfangen. Der Schreiber nahm es ihm aus der Hand. »Das ist merkwürdig«, sagte er und runzelte die Stirn, nachdem er es kurz studiert hatte.
»Das ist wertvoll!«, lachte der andere. »Egal, wen das Bildchen hier zeigt, man sieht ja nicht, dass es eine Jüdin ist. Ich behalt's jedenfalls. Ich hab's gefunden!«
Der Schreiber schüttelte den Kopf. »Dieses Bildchen«, meinte er bedächtig, »mag dich im Zweifelsfall als Verräter den Kopf kosten! Sollte ich mich nämlich nicht sehr irren - so zeigt es die Mutter des englischen Königs!«
Kapitel 3
G erlin und Abram wurden nicht wie die Badewärterin die Stiege hinaufbefördert. Stattdessen brachte man sie in den Keller des Turmes, vorbei an Folterwerkzeugen, deren Anblick Gerlin das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dabei wurden hier sicher keine großen Verhöre durchgeführt. Wirklich schwere Missetäter, von denen man sich wichtige Aussagen erhoffte, schleppte man jetzt schon in die weit besser ausgestatteten Verliese des Louvre.
Gerlin erschauderte, als man sie in eine karge, mit schmutzigem Stroh ausgelegte Zelle warf. Sie kam endlich wieder zu Atem und spürte ihre vom Rennen schmerzenden Beine. Der Schweiß trocknete an ihrem Körper, und kurz darauf nahm sie auch die Kälte im Keller wahr. Sie trug nur ein leichtes Sommergewand, ihren Mantel hatte sie auf der Flucht verloren. Zitternd tastete sie in der Zelle Wände und Boden ab. Es war so dunkel, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte, und wenn sie sich ganz aufrichtete, stieß sie mit dem Kopf gegen die Decke. Diese Zelle war kaum mehr als ein Erdloch mit Eisengittern auf einer Seite, aber vielleicht hatte man wenigstens Wasser hineingestellt. Ihre Kehle war trocken und brannte, ihr Kopf begann zu schmerzen.
Schließlich fand sie tatsächlich einen Krug Wasser und trank durstig, obwohl es abgestanden und faulig schmeckte. Gleich darauf hörte sie ein Stöhnen auf der anderen Seite der Mauer. Sie erinnerte sich dunkel, dass man Abram in ein ähnliches Gelass neben ihr gestoßen hatte. Ob sie durch die Gitter miteinander reden konnten?
»Abram?«, fragte Gerlin leise. »Abram, bist du verletzt?« Alle Förmlichkeit war vergessen.
In der Zelle neben ihr regte sich etwas. Anscheinend ein ähnliches Loch, von dem ihren durch eine Mauer getrennt. Auch wenn es hell gewesen wäre, hätte Gerlin den Freund nicht sehen können, aber immerhin drang ihre Stimme zu ihm durch.
»Gerlin ... Gerlin, hast du da Wasser?« Abrams Stimme klang schwach.
»In einer Nische rechts von den Eingangsgittern«, erklärte Gerlin. »Ein irdener Krug.«
Sie lauschte auf Abrams ungeschickte Versuche, sich über den Boden kriechend dorthin zu tasten, und hoffte, dass die Zellen auch wirklich gleich waren. Aber dann hörte sie ein verhaltenes Fluchen. Ihr Freund musste mit seinen zerschlagenen Händen nach dem Krug gegriffen haben - sie meinte, ihn hastig trinken zu hören.
»Was ist mit deinen Händen, Abram?«, fragte Gerlin besorgt. »Ist was gebrochen?«
»Ach was!« Abrams Stimme klang schon wieder munterer. »Nur schlimm zerschlagen, genau wie meine Schulter, ich konnte mich nicht abstützen und bin mit voller Wucht auf die Steine hier gefallen. Daran werde ich nicht sterben, macht Euch keine Sorgen. Allerdings würde ich nicht darauf wetten, dass ich lang genug leb, um meine Wunden ausheilen zu lassen.«
Gerlin seufzte. »Was werden sie mit uns machen, Abram? Und was wird aus Dietmar ... Salomon ...?«
»Denk nicht mehr an ihn«, flüsterte Abram. »Wir müssen uns um die Lebenden
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