Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
konnte nicht weitersprechen, als er sich unversehens Gerlin gegenübersah.
»Gerlin ... Herrin ...«
Gerlin schaute zu ihm auf und fühlte sich plötzlich schwindelig. Es konnte nicht sein, dass da wirklich ihr strahlender Ritter vor ihr sein Pferd verhielt, aufrecht und stolz im Sattel seines Hengstes. Sie fühlte sich an die lang vergangenen Zeiten in Lauenstein erinnert, als der Ritter Floremon für Dietrich trainierte - und sie sah Dietrichs glückliches Gesicht, als er ihm schließlich die Zügel in die Hand gab, seine eifrige Suche nach einem Namen für das Pferd ... Floremon aus Florís und Salomon ... Gerlin schwankte zwischen Lachen und Weinen. Es war zu viel ... Zu viele Männer, die sie geliebt und verloren hatte ... aber jetzt war Florís wieder da ... Sie tastete nach dem Zügel seines Pferdes. Aber Florís war bereits aus dem Sattel gesprungen und kniete vor ihr nieder.
»Gerlin, meine Dame ... Gerlin, meine Liebste ...« Die letzten Worte sprach er leise, fast andächtig. »Wir dachten ... wir dachten, du seiest mit dem König ...«
Gerlin fühlte sich wie zurückversetzt in die Halle von Lauenstein ... oder Falkenberg ... damals, als Florís sich ihr als Anführer ihrer Eskorte präsentierte ... Sie setzte Dietmar ins Gras, reichte dem Ritter die Hand, und er küsste sie.
Aber dann nahm sich Gerlin zusammen. Was tat sie da, sie waren nicht bei Hofe! Es galt keine minniglichen Worte zu wechseln, sondern das Kronarchiv der Franzosen für Richard zu sichern.
»Lasst das jetzt!«, sagte sie fast etwas grob. »Ihr müsst da hinein, die Pferde sind durchgegangen, der Wagen hängt fest, und die Franzosen wollen die Schriften verbrennen ...«
Dietmar hangelte sich protestierend an ihrem Knie hoch.
»Mein kleiner Herr Dietmar!«, lächelte Florís.
Aber auch er besann sich jetzt. Vor seinen Rittern wollte er auf keinen Fall zu viel von seiner Beziehung zu Gerlin zeigen. Offiziell befreite er diese Dame und ihr Kind schließlich für einen anderen. Und Guillaume verhielt sein Pferd jetzt auch schon neben ihnen und spähte in die von Gerlin angegebene Richtung.
»Was für Schriften?«, fragte er.
Augenblicke später durchbrachen die Pferde der Ritter das Unterholz, und Florís und seine Männer stürzten sich auf den Archivar und seinen widerstrebenden Helfer. Die beiden hatten tatsächlich einen Berg von Pergament und Folianten vor sich aufgehäuft, und der Kutscher versuchte gerade die mit seinem Feuereisen geschlagenen Funken mit einem Stück feuchten Zunderschwamms aufzufangen.
Der Archivar blickte fassungslos auf die angreifenden Ritter, traf dann aber einen todesmutigen Entschluss. »Mach weiter!«, rief er dem Mann zu und zog sein Schwert. »Ich halte sie auf!«
Guillaume lachte und wollte den ungleichen Kampf gleich aufnehmen, aber Gerlin befahl Einhalt. »Lasst, Herr! Ihr seid ein tapferer Ritter, aber hier gibt es nichts, für das es sich lohnt, Euer Leben zu opfern. Die wichtigsten Schriften ...«, sie hob ihren Mantel und suchte in den Taschen ihrer Röcke, dann hielt sie dem entsetzten Archivar die Briefe entgegen, »... habe ich ohnehin in Sicherheit gebracht!«
Der Archivar ergab sich unverzüglich, auch der Kutscher ließ sich widerspruchslos festnehmen. Er half sogar dabei, die Dokumente wieder aufzuladen, und schirrte dann die Pferde aus. Während er die Tiere beruhigte, befreiten Florís und seine Ritter den Wagen, und schließlich spannten sie die Pferde im Licht der nun doch noch entzündeten Fackel wieder an. Gerlin erstieg erneut Sirene und ritt neben Florís her. Seine triumphierenden jungen Ritter eskortierten den Planwagen und die Gefangenen.
Dietmar durfte vor Florís auf dem Streithengst reiten und war wieder bester Stimmung.
»Der kleine Ritter ist gewachsen!«, lachte Florís. »Und er scheint ungemein tapfer zu sein. Wer weiß, vielleicht verleiht man ihm auch eines Tages den Beinamen Löwenherz.« Er zwinkerte Gerlin zu.
Gerlin seufzte. »Ich hoffe, König Richard sieht das auch so gelassen. Ich fürchte, ich werde ihm einiges erklären müssen ...«
Kapitel 7
R oland von Ornemünde war nicht sehr zufrieden mit dem Fortgang seiner Bemühungen um das Lehen Lauenstein. Natürlich hielt er die Burg seit Gerlins Flucht besetzt, und er hätte die Witwe des früheren Burgherrn auch jederzeit freien können. Frau Luitgart wartete nur auf ihre Legalisierung als Herrin der Festung. Für Roland wäre damit allerdings nichts gewonnen gewesen. Luitgart hatte kein Anrecht
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