Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
Cousins, Onkel und Tanten«, meinte Shane, »aber wirklich engen Kontakt habe ich nur zu meiner Mutter und meiner Großmutter. Grandma lebt bei meiner Mom, seit mein Grandpa gestorben ist. Das war vor fünfundzwanzig Jahren. Ich bin also praktisch mit zwei Frauen im Haus groß geworden.«
»Und nach wem kommst du vom Charakter her? Woher du dein Aussehen hast, hast du mir ja schon am Bear Butte ausführlich erläutert.«
Shane lachte.
»Meine Mutter hat ein sehr ruhiges, ausgeglichenes Wesen. Mein Vater soll sehr lebenslustig und fröhlich sein. Mom sagt, dass er gerne lacht. Mach dir dein eigenes Bild.«
Serena musste nun auch grinsen. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, von wem Shane seine Vorliebe für Neckereien und seinen Sinn für Humor geerbt hatte.
»Hier kommt euer Essen, ihr Süßen«, ertönte plötzlich die Stimme der Bedienung neben ihnen. Serena hatte sie bei der lauten Musik und dem Lärmen der Biker nicht kommen hören.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Serena auf das riesige Tablett, das die Frau in den Händen hielt. Sie stellte zwei Teller mit Zwiebelsuppe und zwei Schalen mit großzügigen Portionen Salat ab. Shanes Sandwich hingegen lag auf einem Extrateller, der fast den gesamten Tisch einnahm. Das Sandwich war gute dreißig Zentimeter lang und mindestens fünfzehn Zentimeter hoch. Das Brot glich vom Aussehen her einem Baguette, aber es fehlte ihm das knusprige Äußere. Es lag aufgeschnitten auf dem Teller. Die untere Hälfte war mit einem wilden Gemisch aus Tomaten, Käse und Salatblättern bedeckt. Darüber waren ein gutes Dutzend Fleischklöße in Tomatensauce verteilt. Allein der Anblick dieser Zusammenstellung verursachte Serena Bauchschmerzen. Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein solch riesiges und gleichzeitig seltsames Sandwich gesehen.
»Sieht lecker aus«, meinte Shane und ließ sich Kaffee nachschenken.
Serena sah ihn fassungslos an.
»Wie um alles in der Welt willst du das essen?«
»Das werde ich dir gleich zeigen.« Shane nahm eine Papierserviette und schüttelte sie sorgfältig auseinander. Die Serviette glich dem Sandwich – sie hatte Übergröße. Shane steckte sie sich am Hals ins T-Shirt, und sie deckte seine breite Brust von Schulter zu Schulter ab. Am unteren Rand der Serviette war ein großes Hells-Angels-Logo aufgedruckt – ein Totenkopf mit Flammen.
»Rühr dich nicht vom Fleck«, rief Serena. »Das muss ich unbedingt festhalten!« Sie griff nach ihrer Kamera. »Ich hoffe, du verkehrst auch mal in normalen Restaurants«, fügte sie hinzu, während sie drauflosknipste.
»Ich weiß gar nicht, was du willst. Das Essen ist gut, und die Hells Angels sind Indianern gegenüber wenigstens nicht rassistisch. Hier kann ich ganz unbehelligt essen. Das ist nicht überall der Fall.«
Serena schwieg nachdenklich und vergaß beinahe, dass sie auch etwas bestellt hatte. Fasziniert beobachtete sie, wie Shane das riesige, mit Klößen beladene und vor Tomatensauce triefende Sandwich zuklappte und es sich kunstgerecht in den Mund stopfte. Tomatensauce spritzte nach allen Seiten, aber irgendwie gelang es ihm, keinen der Fleischklöße zu verlieren. Stück um Stück wurde das Sandwich kleiner.
»Deine Suppe wird kalt«, meinte Shane zwischen zwei Bissen.
Serena begann zu essen. Zu ihrer Überraschung war die Suppe sehr gut. Auch der Salat schmeckte ausgezeichnet.
»Zufrieden?« Shane deutete auf ihren Teller.
»Sehr. Aber ich weiß nicht, wie du das riesige Sandwich runterkriegst«, wunderte sie sich.
»Standardessen an der Uni in Toronto«, erwiderte Shane. »Fabian liebt diese Sandwiches mit Fleischklößen übrigens auch sehr.«
»Da habt ihr euch kennengelernt, an der Uni in Toronto«, stellte Serena fest und löffelte ihre Suppe.
»Das ist richtig. Es war eine tolle Zeit. Zum letzten Mal haben wir vor sechs Jahren zusammengearbeitet.«
»Für Denver Fusion Research in Colorado«, fiel Serena ein. »Da habt ihr irgendetwas gebaut, irgendeine unterirdische Anlage.«
»Einen Partikelbeschleuniger«, erklärte Shane mit vollem Mund. »Als Geologe war ich für die Sicherheit der Anlage zuständig. Ich habe überwacht, dass die Höhlenwände und Tunnel stabil waren und dass von außen keine Strahlen eindrangen. Das ist für die Versuche sehr wichtig. Fabian als Physiker hingegen war am Bau des Beschleunigers selbst beteiligt.«
»Richtig, ich erinnere mich.«
Shane schluckte den letzten Bissen seines Sandwiches hinunter.
»Du hast Tomatensauce am Kinn«,
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