Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
bauten sie also den Windschutz. Auch dieses Vorhaben war viel schneller erledigt, als Serena es sich vorgestellt hatte. Shane schlug mit einer kleinen Axt zwei dicke gegabelte Äste und steckte sie direkt an der Felswand etwa zwei Meter voneinander entfernt in den Boden, so dass die gegabelten Enden nach oben zeigten. Eine kleine, geradegewachsene Kiefer diente als Querstrebe zwischen den beiden Astgabeln.
»Wir brauchen noch ein paar lange starke Stangen«, erklärte er und sah sich suchend um. »Hier, die Äste dieses umgestürzten Baumes sind ideal.«
Serena half ihm, die Äste vom Baumstamm abzuschlagen und die Zweige zu entfernen.
»Jetzt lehnen wir die Äste gegen die Querstange«, sagte Shane und zeigte ihr, wie sie es machen sollte.
»Sieht aus wie ein halbes Hausdach«, meinte Serena mit prüfendem Blick.
»Genau. Nun decken wir noch eine dicke Schicht aus Kiefernzweigen darüber, und dann ist der Windschutz fertig.«
Eine Weile später kroch Serena unter das provisorische Dach, um zu sehen, wie es sich darunter schlafen ließ. Es war nicht viel Platz. Gerade genug für zwei Leute, wenn man sich auf die Seite legte.
»Ist ein bisschen hart«, bemerkte sie, als sie wieder ins Freie kroch. »Aber viel angenehmer als hier, weil es dort windstill ist.«
»Es ist nicht das Beverly Hills Hotel«, meinte Shane lachend, »aber ich denke, wir werden es überleben. Wenn du willst, können wir noch ein paar Zweige und Farnkraut auf den Boden legen, damit es etwas weicher wird. Aber ich befürchte, dass es trotzdem recht hart bleiben wird.«
Also breiteten sie noch einige Kiefernzweige und ein paar Armvoll Farnkraut auf dem Boden des Windfanges aus.
Als sie mit ihrer Arbeit fertig waren, war es schon schummrig. Sie gingen, Tiger im Schlepptau, zur Lichtung, um die Pferde zum Lager zu bringen.
Thunder und Lightning waren nur noch als schattenhafte Umrisse zu erkennen. Die Vogelstimmen waren verstummt. Stille lag über der Wildnis, und ein kühler Wind wehte von den Gipfeln der schneebedeckten Berge. Irgendwo heulte ein Kojote. Aber sein Ruf beunruhigte Serena nicht mehr so sehr wie das erste Mal, als sie ihn vernommen hatte. Sie verstand ihn nun vielmehr als einen Teil der Wildnis. Ohne ihn hätte etwas gefehlt.
Serena und Shane standen einen Augenblick lang schweigend da und lauschten dem gleichmäßigen Kauen der Pferde. Für Serena waren diese Laute sehr beruhigend. Sie warf einen schnellen Blick auf Shane, der ruhig und gelassen neben ihr stand. Mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich trotz aller Gefahren, die auf sie lauern mochten, sicher und beschützt. Sie konnte es dennoch kaum glauben, dass sie sich tatsächlich inmitten der Rocky Mountains befand und die bevorstehende Nacht in unberührter Wildnis und unter freiem Himmel verbringen würde.
»Ich möchte dir noch etwas zeigen«, sagte Shane in die Stille hinein. »Ich habe es schon den ganzen Tag in Erwägung gezogen – für alle Fälle. Jetzt spüre ich, dass ich es nicht mehr länger aufschieben kann.«
»Kannst du hiermit umgehen?« Er deutete auf das Gewehr in seiner Hand.
Serena schüttelte erstaunt den Kopf.
»Nun, ich denke, du solltest wissen, wie es handzuhaben ist«, erklärte Shane. »Natürlich nur für den Notfall«, setzte er schnell hinzu.
Serena schluckte. Sie konnte an seinem Tonfall hören, dass er es für sehr wahrscheinlich hielt, dass so ein Notfall eintreffen könnte. Sie dachte an Fabian und sein Vorhaben und fragte sich, ob er wohl eine Waffe bei sich trug. Er war kein gewalttätiger Mensch, das wusste sie. Aber dies war etwas ganz anderes. Die Männer, gegen die sie antraten, waren gewappnet und scheuten sich nicht, ihre Waffen zu benutzen. Das hatte sie bereits am eigenen Leib erfahren.
»Ich kann dir leider keine praktische Einweisung geben«, fuhr Shane fort. »Ein einziger Schuss, der an den Berghängen widerhallt, reicht aus, um unseren Standort zu verraten. Das dürfen wir auf keinen Fall riskieren.«
Er machte eine kurze Pause und drehte das Gewehr in der Hand.
»Du wirst dieses Gewehr nur in die Hand nehmen, wenn du auch beabsichtigst, es zu benutzen. Das wird nur in äußerster Not der Fall sein. Solange ich da bin, werde ich dich beschützen.«
Seine Worte versetzten Serena einen Stich ins Herz. Solange er da war. Dieser Satz hatte einen bitteren Beigeschmack, und sie wusste, was Shane damit sagen wollte: Er würde sie beschützen, solange er lebte. Sollte ihm etwas zustoßen, so war es an ihr, ihr Leben
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