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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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angeboten, seine Geliebte in der Wohnung, die er bezahlte, mit einem anderen Mann zu überraschen. Sie hatte zuerst fünfhundert Francs verlangt; aber da er sehr geizig war, mußte sie sich nach hartnäckigem Feilschen mit zweihundert Francs begnügen, die sie in dem Augenblick bar auf die Hand bekommen sollte, da sie ihm die Tür des Zimmers öffnen würde. Sie schlief dort in einer kleinen Kammer hinter dem Ankleideraum. Die Baronin hatte sie aus Gründen der Vorsicht genommen, um nicht der Concierge die Sorge um den Haushalt anvertrauen zu müssen. Meistens führte sie ein müßiges Leben, weil sie zwischen den Stelldichein in dieser leeren Wohnung nichts zu tun hatte; im übrigen hielt sie sich im Hintergrund und verschwand, sobald Delcambre oder Saccard eintrafen. Im gleichen Haus hatte sie Charles kennengelernt, der lange Zeit nächtlicherweile gekommen war, um mit ihr das große Bett der Herrschaften einzunehmen, das noch von den Ausschweifungen des Tages verwüstet war; sie hatte ihn auch als einen sehr guten, sehr ehrlichen Menschen an Saccard empfohlen. Seit seiner Entlassung machte sie sich seinen Groll zu eigen, und das um so mehr, als ihre Herrin »knickrig« zu ihr war und sie eine Stellung gefunden hatte, wo sie im Monat fünf Francs mehr verdienen sollte. Zuerst wollte Charles an den Baron Sandorff schreiben, sie aber fand es lustiger und einträglicher, mit Delcambre eine Überraschung zu organisieren. An jenem Donnerstag nun hatte sie alles für den großen Coup vorbereitet und wartete. Als Saccard um vier Uhr kam, lag die Baronin schon ausgestreckt auf der Chaiselongue vor dem Kamin. Als Geschäftsfrau, die den Wert der Zeit kennt, war sie gewöhnlich sehr pünktlich. Die ersten Male war Saccard enttäuscht gewesen, als er nicht die leidenschaftlich Liebende fand, die er sich bei dieser brünetten Frau mit den blauen Lidern und der herausfordernden Haltung einer liebestollen Bacchantin erhofft hatte. Sie war wie aus Marmor, und sie war es müde, sich unnütz anzustrengen und einem Gefühl nachzujagen, das sich nicht einstellen wollte; sie ging völlig auf im Börsenspiel, bei dem ihr wenigstens die Angst das Blut erhitzte. Als er dann merkte, daß sie neugierig war und sich ohne Widerwillen in den Ekel ergab, wenn sie dabei einen neuen Kitzel zu entdecken glaubte, machte er sie sich gefügig und erlangte alle Zärtlichkeiten von ihr. Sie plauderte von der Börse, entlockte ihm Börsentips; und da sie, seit sie dieses Verhältnis hatte, Gewinne erzielte, wobei zweifellos der Zufall im Spiele war, behandelte sie Saccard ein wenig als Fetisch, als den Fundgegenstand, den man aufbewahrt und den man, selbst wenn er schmutzig ist, küßt, weil er einem Glück bringt.
    Clarisse hatte an jenem Tag ein so großes Feuer im Kamin gemacht, daß sie sich nicht ins Bett legten, sondern vor den hohen Flammen sich genüßlich auf der Chaiselongue ausstreckten. Draußen brach die Nacht herein. Aber die Fensterläden waren geschlossen, die Vorhänge sorgsam zugezogen; die zwei großen schirmlosen Lampen mit ihren matten Glasglocken tauchten die beiden in ein grelles Licht.
    Kurz nach der Ankunft Saccards stieg Delcambre seinerseits aus dem Wagen. Der Generalstaatsanwalt Delcambre, mit dem Kaiser persönlich liiert und auf dem besten Wege, Minister zu werden, war ein magerer und gelblich aussehender Mann von fünfzig Jahren, eine große, würdevolle Erscheinung, das glattrasierte, von tiefen Falten durchfurchte Gesicht von nüchterner Strenge. Die scharfe Adlernase wirkte kraftvoll, gleichsam gnadenlos. Als er die Freitreppe mit seinem üblichen gemessenen, schweren Schritt emporstieg, tat er es mit seiner ganzen Würde, mit kalter Miene wie an den großen Gerichtstagen. Niemand im Haus kannte ihn, er kam nur bei Anbruch der Nacht hierher.
    Clarisse erwartete ihn in dem engen Vorzimmer.
    »Wenn der gnädige Herr mir folgen wollen … Aber ich empfehle dem gnädigen Herrn, keinen Lärm zu machen.«
    Er zögerte. Warum sollte er nicht durch die Tür eintreten, die direkt in das Zimmer führte? Aber sie erklärte ihm ganz leise, daß sicher der Riegel vorgeschoben sei, daß alles aufgebrochen werden müßte, daß die gnädige Frau dadurch gewarnt würde und Zeit fände, ihre Sachen in Ordnung zu bringen. Nein! Er sollte die Baronin so überraschen, wie sie sie eines Tages gesehen hatte, als sie einmal einen Blick durchs Schlüsselloch wagte. Dafür hatte sie sich etwas sehr Einfaches ausgedacht. Ihre Kammer war ehemals

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