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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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den Orient zurückzukehren, wo ihn die Arbeiten an der Eisenbahnstrecke von Brussa nach Beirut riefen. Als Hamelin wegfuhr, war er glücklich über das rasche Aufblühen des Unternehmens und von seiner unerschütterlichen Solidität zutiefst überzeugt; eine dumpfe Besorgnis fühlte er im Grunde lediglich über das Ausmaß des Erfolges. Daher legte er seiner Schwester, als er sich am Abend vor seiner Abreise mit ihr unterhielt, nur das eine dringend ans Herz: der allgemeinen Verblendung zu widerstehen und ihre Aktien zu verkaufen, sobald der Kurs von zweitausendzweihundert Francs überschritten wäre; damit wollte er für seine Person gegen diese beständige Hausse, die er für irrsinnig und gefährlich hielt, protestieren.
    Sobald Frau Caroline allein war, fühlte sie sich durch die überhitzte Umgebung, in der sie lebte, noch mehr beunruhigt. Ungefähr in der ersten Novemberwoche wurde der Kurs von zweitausendzweihundert erreicht; um sie herum wurden Entzücken, Rufe des Dankes und der grenzenlosen Hoffnung laut. Dejoie zerschmolz vor Dankbarkeit, die Damen Beauvilliers behandelten Frau Caroline wie ihresgleichen, weil sie die Freundin des Gottes war, der ihr altes Haus wieder zu Wohlstand bringen sollte. Ein Chor von Segnungen stieg aus der glücklichen Menge der Kleinen und Großen empor, endlich bekamen die Töchter ihre Mitgift, die Armen waren plötzlich reich geworden und mit einer Rente gesichert, die Reichen brannten in der unersättlichen Freude, noch reicher zu werden. Nach der Weltausstellung war die Stunde einmalig in dem von Vergnügen und Macht berauschten Paris, eine Stunde des Glaubens an das Glück, die Gewißheit einer Chance ohne Ende. Alle Papiere hatten angezogen, selbst die weniger sicheren fanden leichtgläubige Käufer, eine Überfülle fauler Geschäfte blähte den Markt auf, so daß der Blutandrang zum Schlagfluß zu führen drohte, während darunter die Leere tönte, die tatsächliche Erschöpfung eines Regimes, das sich ausgiebigem Genuß hingegeben, Milliarden für große Bauvorhaben verschwendet und riesenhafte Kreditinstitute gemästet hatte, deren weit geöffnete Kassen nach allen Seiten aus den Fugen gingen. Das erste Krachen in diesem Taumel würde den Zusammenbruch bedeuten. Und Frau Caroline hatte zweifellos dieses ängstliche Vorgefühl, wenn sie spürte, wie sich ihr bei jedem neuen Sprung der Universelle-Kurse das Herz zusammenkrampfte. Kein böses Gerücht lief um, kaum ging ein leises Knistern durch die Reihen der verwunderten und gezähmten Baissiers. Dennoch war sie sich deutlich eines Unbehagens bewußt, irgend etwas unterhöhlte bereits das Gebäude; aber was, ließ sich nicht ausmachen, und so mußte sie abwarten angesichts des glänzenden, sich immer noch steigernden Triumphes, trotz dieser leichten Erschütterungen, die den Katastrophen vorausgehen.
    Im übrigen hatte Frau Caroline damals anderen Kummer. Im »Werk der Arbeit« war man endlich zufrieden mit Victor, der schweigsam und melancholisch geworden war; und sie hatte Saccard nur deshalb nicht schon alles erzählt, weil sie eine eigenartige Befangenheit spürte. Von Tag zu Tag schob sie ihren Bericht hinaus und litt unter der Beschämung, die Saccard empfinden würde. Andererseits machte sich Maxime, dem sie um diese Zeit aus ihrer eigenen Tasche die zweitausend Francs zurückerstattete, über die viertausend lustig, die Busch und die Méchain noch verlangten: diese Leute bestahlen sie, sein Vater wäre wütend darüber. So wies sie von nun an die wiederholten Forderungen Buschs, der die versprochene Summe voll bezahlt haben wollte, zurück. Nach zahlreichen vergeblichen Schritten wurde Busch schließlich böse, zumal er seinen alten Gedanken verwirklichen und Saccard erpressen wollte, jetzt, da dieser in seiner veränderten Situation – in dieser hohen Stellung glaubte Busch ihn in der Gewalt zu haben – Angst vor einem Skandal haben mußte. Eines Tages war er derart erbittert, aus einem so schönen Geschäft nichts herausschlagen zu können, daß er beschloß, sich direkt an Saccard zu wenden, und er schrieb ihm, er möge doch einmal in seinem Büro vorsprechen, um alte Papiere, die man in einem Haus in der Rue de la Harpe gefunden hatte, zur Kenntnis zu nehmen. Er nannte die Hausnummer, er spielte so deutlich auf die alte Geschichte an, daß Saccard, von Unruhe ergriffen, gar nicht mehr anders konnte, als zu kommen. Zufällig fiel dieser Brief, als er in der Rue Saint-Lazare abgegeben wurde, Frau Caroline

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