Das Geschenk der Wölfe
Mannes stachelte ihn auf. Es war die Aura des Bösen.
Schließlich ließ er von ihm ab.
Der Mann stürzte aufs Straßenpflaster, und Blut schoss aus seinen Adern. Reuben behielt seinen rechten Arm im Mund und riss ihn fast aus der Schulter. Dann schleuderte er den wehrlosen Mann an die Hauswand, wo sein Schädel krachend zerbrach.
Die Frau stand wie erstarrt, die Arme vor den Brüsten verschränkt. Sie schluchzte und wimmerte und tat Reuben unendlich leid. Wie konnte ihr jemand das nur antun? Sie zitterte so sehr, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte. Eine nackte Schulter stach aus ihrem roten Seidenkleid hervor.
Sie schluchzte immer heftiger.
«Sie sind jetzt in Sicherheit», sagte Reuben und wunderte sich über seine Stimme. War es wirklich seine? Sie war viel tiefer, rauer und selbstbewusster als früher. «Der Mann, der Ihnen weh tun wollte, ist tot.» Er streckte die Hand nach ihr aus und sah, dass es eine behaarte Klaue war. Sanft streichelte er ihr über den Arm. Wie es sich für sie wohl anfühlte?
Er blickte auf den Toten, der auf der Seite lag. Seine Augen glänzten im Halbdunkel der Straßenbeleuchtung wie Glas. Sie schienen gar nicht zu ihm zu gehören, sondern saßen wie polierte Edelsteine in einem Haufen stinkenden Fleischs. Der Geruch und die Aura des Mannes verpesteten die Luft um ihn herum.
Die Frau entfernte sich von Reuben, drehte sich um und begann wegzulaufen. Ihre schrillen Schreie hallten durch die Gasse. Sie fiel auf die Knie, richtete sich wieder auf und lief weiter auf die Hauptstraße zu.
Reuben sprang in die Luft und erklomm die Hauswand mit der Leichtigkeit einer Katze. Im Nu war er wieder auf dem Dach. In weniger als einer Sekunde war er an der nächsten Straßenecke und eilte weiter Richtung Zuhause.
Er hatte nur noch einen Gedanken: Überleben! Fliehen! Nach Hause zurückkehren, in sein Zimmer. Weg von den Schreien und dem Toten.
Ohne auf den Weg zu achten, erreichte er sein Haus und ließ sich vom Dach auf die Dachterrasse vor seinem Zimmer hinunter.
Dort stand er in der offenen Tür und starrte auf sein Bett, den Fernseher, seinen Schreibtisch und den Kamin. Er leckte das Blut von seinen Zähnen; es war salzig und widerlich und doch faszinierend.
Das Zimmer kam ihm seltsam klein und vor allem sehr nutzlos vor, als sei alles darin aus einem untauglichen, zerbrechlichen Material gemacht.
Er ging hinein und fand es viel zu warm. Trotzdem schloss er die Terrassentür. Es kam ihm absurd vor, das winzige Messingschloss zu sichern. Es war so nutzlos wie alles andere hier. Jeder konnte doch die Scheiben zwischen den dünnen weißen Rahmen einschlagen und die Tür öffnen! Man konnte sogar die ganze Tür herausreißen und auf die Straße werfen.
In dem engen Zimmer hörte er seinen eigenen Atem.
Der Fernseher warf weißblaues Licht an die Decke.
In der Spiegeltür zum Badezimmer sah er sich – eine große, behaarte Gestalt mit einer Mähne, die ihm bis auf die Schultern fiel. Ein Wolfsmensch.
«Das also war das Tier, das mich in Marchents Haus gerettet hat», sagte er halblaut und lachte mit seiner tiefen, selbstsicheren Stimme. Natürlich, das war’s! «Du hast mich gebissen, du Biest. Aber ich bin nicht gestorben, sondern selbst so ein Wesen geworden.» Wieder wollte er laut loslachen – oder besser noch: die vorüberziehenden Sterne anheulen. Doch das Haus war zu eng, zu klein, zu gesittet dafür.
Er ging auf den Spiegel zu.
Im Fernseher lief gerade eine Szene, die das ganze Zimmer erhellte. So sah er sein Spiegelbild in aller Deutlichkeit. In seinen tiefblauen Augen konnte er sich wiedererkennen, doch der Rest seines Gesichts war von dunkelbraunem Haar überwuchert. Seine kleine schwarze Nase hatte kaum Ähnlichkeit mit der eines Wolfs. In seinem vorgewölbten, lippenlosen Mund saßen glänzend weiße Schneide- und lange Eckzähne, regelrechte Reißzähne.
Damit ich dich besser fressen kann.
Er war größer als vorher, mindestens zehn Zentimeter, seine Hände oder Pfoten waren riesig und endeten in tödlichen weißen Klauen. Auch seine Füße waren größer, die Muskeln seiner Waden und Schenkel stärker. Trotz des Fells war es deutlich zu erkennen. Er berührte sich zwischen den Beinen und schreckte zurück, als er spürte, wie hart sein Glied war.
Doch all das war von dichtem Fell bedeckt, flaumig an der Haut und rau an der Oberfläche. Der größte Teil seines Körpers war davon bedeckt. Der weiche Flaum bedeckte ihn sogar komplett, wie er feststellte,
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