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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Haushälterin, war am Morgen aus dem Urlaub zurückgekehrt, den sie, wie jedes Jahr, in Mexiko verbracht hatte. Sie sagte, sie werde es sich niemals verzeihen, dass sie nicht da war, als Reuben sie am meisten brauchte. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass es der «loup garoo» war, der ihm das angetan hatte.
    Reubens bester Freund, Mort Keller, war ebenfalls anwesend. Offenbar hatte man ihn extra zu dem Treffen gebeten, nicht ahnend, dass Reuben sich in seinem Zimmer einschließen und sich weigern würde, mit jemandem zu reden. Das machte Reuben besonders wütend. Mort stand kurz vor seiner Doktorprüfung in Berkeley und hatte keine Zeit für solchen Unsinn. Er hatte Reuben zweimal im Krankenhaus besucht, und das war in Reubens Augen schon viel, weil Mort nicht viel mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht bekam und mit den Vorbereitungen auf die mündlichen Prüfungen alle Hände voll zu tun hatte.
    Nun aber musste sich Mort – genau wie Reuben – die «ganze Geschichte» anhören. Wie Reuben sich seit jener tragischen Nacht in Mendocino verändert und sich, so Grace, bei der offenbar tollwütigen Bestie mit irgendetwas angesteckt habe.
    Angesteckt – das war stark untertrieben. Was für ein Wesen lebte dort oben im Wald von Mendocino? Konnte es sprechen? Aufrecht gehen? Oder war es … Reuben wollte nicht weiterdenken.
    Natürlich konnte es sprechen. «Mord! Mord!» Er hatte immer gewusst, dass nicht er derjenige gewesen war, der die Polizei alarmiert hatte. Es war «die Bestie» gewesen, die sein Telefon benutzt hatte.
    Der Gedanke erleichterte ihn sehr. Es war also kein primitives, gedankenloses Monster. Nein, es war ein moralisches Wesen, genau wie der Wolfsmensch in der Gasse von North Beach. Wenn das stimmte, wusste es vielleicht, was gerade mit demjenigen passierte, den es in Marchents Haus beinahe getötet, dann aber im letzten Moment losgelassen hatte.
    War das gut oder schlecht?
    Die Stimmen aus dem Esszimmer gingen ihm auf die Nerven.
    Er stand auf, legte eine CD mit einem Klavierkonzert von Mozart in den Player neben seinem Bett und drehte die Lautstärke voll auf.
    Es funktionierte. Er konnte die anderen nicht mehr hören. Auch die anderen Stimmen hörte er nicht mehr, das Gemurmel der Stadt, das er neuerdings ständig im Ohr hatte. Er drückte auf Repeat und entspannte sich.
    Das Feuer brannte, der Regen trommelte an die Fenster, die wunderbare Musik Mozarts durchdrang das Zimmer, und Reuben fühlte sich zum ersten Mal wieder beinahe normal.
    Einen Moment lang jedenfalls.
    Dann recherchierte er weiter und stieß auf einen lesenswerten Beitrag nach dem anderen, aber wenig davon überraschte ihn. Er hatte gewusst, dass der Glaube an Werwölfe von vielen als eine Geisteskrankheit betrachtet wurde, bei der sich die Betroffenen für Werwölfe hielten und sich folglich wie diese zu verhalten versuchten. Andere hielten es für eine Art dämonische Gestaltwandlung, bei der Menschen tatsächlich zu Werwölfen wurden und es blieben, bis jemand sie mit einer silbernen Kugel erschoss, worauf sich der Wolfskörper dann im Sterben zu einer menschlichen Gestalt zurückverwandelte, sodass der Sterbende einen ganz seligen Gesichtsausdruck bekam und bis in alle Ewigkeit in Frieden ruhen konnte.
    Was die Filme betraf, so hatte Reuben selbst einige gesehen, so viele sogar, dass es ihm selbst schon peinlich war. Es war leicht, die einschlägigen Szenen auf YouTube zu finden, und als er sich welche aus
Ginger Snaps

Das Biest in Dir
und dann Jack Nicholsons
Wolf

Das Tier im Manne
ansah, wurde ihm etwas Schreckliches klar.
    Was er hier sah, war zwar reine Fiktion, aber es zeigte die Phase der Transformation, in der er sich gerade ganz real befand, als eine Phase des Übergangs, eine Phase, die noch nicht abgeschlossen war. Nur zu Beginn der Transformation war in manchen Werwölfen noch etwas Menschliches vorhanden. Aber am Ende von
Wolf
beispielsweise war Jack Nicholson vollständig zu einem vierbeinigen Tier geworden, das ausschließlich im Wald lebte. Und am Ende von
Ginger Snaps
war aus dem bedauernswerten Wolfsmädchen ein abscheuliches Schweinswesen geworden.
    Aber die Kreatur, mit der ich es zu tun habe, kann doch sprechen, dachte Reuben. Sie konnte sogar telefonieren. Sie hatte eine Nummer gewählt und Hilfe geholt. Wie alt sie wohl war? Wie lange geisterte sie schon im Redwoodwald von Mendocino herum? Und was, zum Teufel, wollte sie dort?
    Was hatte Celeste neulich gesagt? Dass es in der Gegend schon

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