Das Gesetz der Vampire
erstbesten Rastplatz tauschte er seinen Wagen gegen einen zehn Jahre alten, aber gut gepflegten Pontiac Trans Sport. Sein eigener gerade dreijähriger Hummer war zwar mehr wert als der Pontiac, aber der materielle Verlust störte ihn nicht weiter. In ein paar Tagen hatte er ohnehin keine Verwendung mehr für Geld.
Eine Stunde vor Sonnenaufgang mietete er sich unter einem falschen Namen in einem Motel ein, um dort den Tag zu verschlafen, ehe er in der nächsten Nacht seinen Weg nach Baltimore fortsetzte. Mit nagendem Hunger im Bauch, Verzweiflung im Herzen und dem Bewusstsein, dass Rebecca Morris’ Rache wahrhaft perfekt war, schlief er schließlich ein.
***
Ashton wütete unter den Vampiren wie ein unerbittlicher Racheengel, maßlos in seinem Zorn und getrieben von unerträglichem Hass, der seine Seele zerfraß. Seit seiner Verwandlung jagte er von Sonnenuntergang bis kurz vor Sonnenaufgang jeden Vampir, den er aufspüren konnte und ignorierte den Hunger nach Blut, der immer grausamer in ihm tobte. Er hatte Newark, Trenton, Philadelphia und Wilmington in nur zwei Nächten gesäubert und war dabei dreimal mit knapper Not seinen Verfolgern entkommen. Es erfüllte ihn sogar mit einem gewissen Stolz, dass es trotzdem 17 : 0 für ihn stand.
Dennoch war ihm klar, dass er diese unbarmherzige Jagd nicht mehr lange durchhalten konnte. Deshalb entschied er sich schweren Herzens, seiner elenden Existenz ein Ende zu bereiten, sobald er die Vampire in Baltimore ausgerottet hatte.
Obwohl er dieses Dasein hasste, besaß es doch etwas Faszinierendes. Seine Körperkraft und Ausdauer waren unbeschreiblich, ebenso die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der er sich bewegen konnte. Zwar hatte er das schon bei den Vampiren, die er jagte, beobachten können. Es selbst am eigenen Leib zu erfahren, hatte etwas Berauschendes. Wunden heilten in Sekundenschnelle, und der Schmerz war nicht der Rede wert. Ashton vermutete, dass er jetzt wohl auch gegen die meisten Krankheiten immun war, vielleicht sogar gegen alle und begriff, was es mit der relativen Unsterblichkeit der Vampire auf sich hatte. Man konnte sie zwar mit Waffen aus Holz, Silber oder mit Feuer töten, aber bei dieser phänomenalen Regenerationsfähigkeit, gab es mit Sicherheit keinen herkömmlichen Alterungsprozess mehr.
Wenn er jedoch an den Preis dafür dachte, wurde ihm immer noch übel. Er würde sich niemals dazu herablassen, Blut als Nahrung zu sich zu nehmen, obwohl der Hunger nach inzwischen vier Tagen Fastens in ihm mit einer Macht wütete, dass es kaum noch auszuhalten war. Trotzdem wollte er unbedingt noch die Kolonie in Baltimore auslöschen, bevor er sich Harry stellte.
Er hatte seinen Freund noch einmal von einem Wegwerfhandy aus angerufen, bevor er Baltimore erreichte und ihm versprochen, in ein paar Tagen zurückzukommen, falls die Vampire ihn nicht vorher erwischten.
»In ein paar Tagen könnte es schon zu spät für dich sein, Ashton«, mahnte der Freund. »Ich finde es zwar bemerkenswert, dass du immer noch bei einigermaßen klarem Verstand zu sein scheinst, aber das kann sich schon in der nächsten Stunde ändern.«
»Das glaube ich kaum. Nachdem ich nach vier Tagen immer noch ganz menschlich denke und fühle, bin ich wohl über den Punkt hinaus, an dem ich meine Menschlichkeit verliere.«
»Komm zurück, Ash. Heute noch, damit wir es hinter uns bringen können.« Er zögerte kurz. »Ich habe Anweisung von Shepherd und der wiederum hat sie von unserer Zentrale in London. Wenn du dich nicht spätestens morgen stellst, werden wir dich genauso jagen wie jeden anderen Vampir.«
»Ihr jagt mich doch bereits, Harry!«, erinnerte Ashton ihn bissig. »Seit zehn Jahren widme ich mein ganzes Leben der Vernichtung von Vampiren. Ich habe die höchste Erfolgsquote von euch allen. Und jetzt behandelt ihr mich wie einen von denen!«
»Ashton, du bist jetzt einer von denen«, erinnerte ihn Harry unbarmherzig. »Deshalb dürfen wir dich ebenso wenig am Leben lassen wie jeden anderen Vampir. Es tut mir wahnsinnig leid, was mit dir passiert ist. Wir alle wissen, dass es nicht deine Schuld war. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass du zu einer Gefahr für andere Menschen wirst.«
Das konnte Ashton nur zu gut verstehen. »Ich vernichte noch die Kolonie in Baltimore, dann komme ich.«
»Komm sofort, Ash«, beharrte Harry. »Wir wissen ja jetzt, dass es in Baltimore eine Kolonie gibt. Wir werden uns darum kümmern. Aber wenn du nicht auf der Stelle zurückkommst, bist du
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