Das Gesetz des Irrsinns
wurde Däubler mit dem Unternehmen freilich nicht. »Der Marmorbruch bei Reclam Leipzig ist erschienen. Peinlich! Ekki schrieb ihn, wie ich es schon niederschrieb. Es geschah in beider großer Not.«
Das Reclam-Bändchen lief recht gut. Erstauflage: 10 000 . Zwei Jahre später das 15 . Tausend. 1936 eine dritte Auflage: 16 .- 23 . Tausend. 1944 (!) ein Nachdruck.
Bereits 1931 der zweite Streich: das Romänchen einer Reise von Berlin zum Mittelmeer. Däubler im Tagebuch: »Mein Niveau, das der ›Göttin mit der Fackel‹: ganz tief. Man schimpft auch weidlich über diesen Kitsch. Das Einzige, was ich habe, mein Name, geht auch verloren. Dabei hat Ekki die Sache geschickt fabriziert. Warum muss man zu so horrenden Mitteln greifen? Weil man sonst längst verhungert wäre.«
Weiteres Resümee, März 1932 : »Wie wäre es, wollte man mich nach echten oder unechten Däubler-Romanen beurteilen? Nun sind aber sie alle mit der linken Hand geschrieben.« Ja, das geschah schon 1928 in Däublers (?) Roman
L’Africana
. Weil auch dieses Produkt im Gutenberg-Projekt ins Netz gestellt wurde, kann ich auf vergleichende Stilproben verzichten. Es geht in diesem Exkurs auch nicht um Stoffe, sondern um die Motivation, die Logistik der Fälschungen.
Und da zeigt sich 1932 , dass nicht nur Däubler und Peterich konspirierten, kooperierten, auch ein Verleger wollte mit von der Partie sein. »Elster schreibt, v. Dunin wolle Ekkis Roman ›Marion erzieht auf Reisen‹ anbringen. Nochmals unter meinem ›illustren‹ Namen. Doch für 500 – 700 M. Ist doch eine Lappalie. Soviel Ärger, schlechte Kritiken. Die Leute glauben, ich verdiene wer weiß was. Ich bin dagegen.«
Die (aufgeteilten?) Tantiemen der dritten Fälschung hätten Däubler ohnehin nicht mehr lange helfen können. Zum Diabetes kam Tuberkulose, »die mich zermürbt«. Im Juni 1934 starb Däubler, 58 -jährig, in einem Schwarzwälder Sanatorium.
Und die Nachwirkungen der literarischen Fälschungen? Auch in der Titelkurzliste des Sortiments erscheint
Die Göttin mit der Fackel
unter dem Namen Däubler. Und, schon erwähnt: Sogar im Gutenberg-Projekt laufen
Marmorbruch
und Fackelgöttin unter dem Namen Däubler, obwohl in der Bibliographie des Marbacher Magazins in beiden Fällen vermerkt ist: »Unter Theodor Däublers Namen erschienen«. Dies aber in Klammern zu den fortlaufenden Nummern 30 a und 31 des Werkverzeichnisses!
Über das Fälschen von Gemälden dürfte in der Verdonck-Erzählung genug geschrieben sein, also nur eine Randnotiz zu diesem Stichwort.
Unter den ›Klassikern‹ der Moderne ist Modigliani bei Fälschern besonders beliebt; rund 460 Gemälde sind von ihm signiert oder ihm zugeschrieben; etwa hundert von ihnen stehen im Verdacht, gefälscht zu sein. Modigliani-Gemälde bringen Geld.
Auch Gemälde von Corot. Der Maler Fernand Léger gestand im Alter, er hätte »fünfundzwanzig falsche Corots« gemalt, um mal richtig Geld zu verdienen. FAZ : »Was die Frage aufwirft, ob nicht, wenn einer wie Léger sein Talent darauf verwendet, so corothaft wie nur irgend möglich zu malen, manchmal der bessere Corot herauskommt.«
Nach dieser Zwischennotiz ein begleitender Exkurs zu Fälschungen im Reich der Musik. Darüber wird wenig publiziert, und doch geschieht hier viel.
Wie eine Musik-Fälschung inszeniert wird, hatte ich 1970 verfolgt und dokumentiert in einem fast zweistündigen Feature des Westdeutschen Rundfunks, das von einigen Funkanstalten übernommen wurde:
Der Fall Tartarov
. Die Druckversion lässt sich unter dem Titel
Der große Tartarov
nachlesen im Sammelband
Portraitstudien schwarz auf weiß.
Also mache ich es hier (relativ) kurz.
Am 16 . April 1968 trat ein Schweizer Pianist, mit Perücke und Theaterschnauzbart getarnt, als das georgische Genie Antonei Sergejvitch Tartarov im ausverkauften Großen Tonhallesaal Zürich auf, mit einem Programm brillierend, in dem sämtliche Werke gefälscht waren, Mozart wie Beethoven, auch die Stücke russischer Komponisten.
Wichtig bei Fälschungen aller Branchen ist eine überzeugende Antwort auf die Frage nach der Provenienz – hier der bisher unbekannten Kompositionen. Dazu wurde der Öffentlichkeit ein »Märchen« aufgetischt.
»In Paris lebt ein 80 -jähriger Baron, Abkömmling eines alten slawischen Geschlechtes. Der misanthropische Baron mutet an wie eine Figur von Balzac. Er haust in einer Mansarde, umgeben von seinen Besitztümern; unter anderem befindet sich darunter ein Koffer mit alten
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