Das Gesetz des Irrsinns
eines Tages Mittelsmänner, die unter Vorlage präziser Arbeitsmodelle von Ober- und Unterkiefern (mit markierten Zahnstümpfen) feingoldhaltige Zahnkronen und Brücken bestellten, und zwar im Auftrag ranghoher sowjetischer Militärs, die fürs erste anonym bleiben wollten. Dezidiert gewünscht waren damit Arbeiten aus dem »Labor des Führers«. Die hochgoldhaltigen Kronen bzw. Brücken wurden von Kurieren (in Zivil) abgeholt und in bar bezahlt. So fielen keine Rechnungen, keine Belege an, wie sie gegebenenfalls aufgespürt werden konnten. Ein Vertrauensmann unter sowjetischen Militärzahnärzten zementierte die jeweils transferierte Krone oder Brücke ein – Werkstücke mit dem ›Hautgout‹, als wäre ihr Material von einem Spezialkommando als Zahnbruchgold der Mundhöhle des toten Führers entnommen worden.
Es entwickelte sich eine spezifische Tradition. Auch Söhne ranghoher sowjetischer Offiziere ließen durch Kuriere im Dahlemer Dentallabor (von Sohn Raimund) Arbeitsmodelle ihrer Unter- und Oberkiefer abliefern und damit verbindliche Bestellungen aufgeben, ließen sodann, wie gehabt, die Werkstücke abholen und in Cash bezahlen. Auch hier der bewusste Verzicht auf Rechnungen, Quittungen, auf jede Form möglicherweise heikler Belege.
Besonders zahlreich wurden die Bestellungen nach dem Kollaps des Sowjetsystems: Erfolgreiche Repräsentanten des »Bissness« vor allem in Moskau ließen über Boten (meist der Mafia) Arbeitsmodelle überbringen, sodann Kronen oder Brücken abholen, nun erst recht gegen Barzahlung. Geschäftsleute, die Sportwagen mit Carbon-Karosserien fuhren, ließen es sich was kosten, Goldwerk im Munde zu führen aus dem Dentallabor, das Hitlers Leibzahnarzt Arthur Hanrath gegründet und geführt hatte.
Boten besonders zahlkräftiger Kunden aus der Welt der Schattenwirtschaft wurden neugefertigte Kronen oder Brücken in stimmungsvoller Beleuchtung präsentiert: Hans-Georg Hanrath stellte dazu einen der Kerzenleuchter auf, die im KZ Dachau zu Tausenden für die SS hergestellt worden waren (und im 21 . Jahrhundert in Werkstätten nachgefertigt werden, stets auch mit Herzsymbol und Hagall-Rune). Solch ein Leuchter war im Rahmen einer Sonnwendfeier zu Quedlinburg vom Reichsführer SS Hitlers Leibzahnärzten Hugo Blaschke und Arthur Hanrath überreicht worden. Was der Enkel den Vermittlern aus Moskau weiter anvertraute: Dieser Leuchter aus Himmlers Hand stammte aus der obligaten Jul-und- SS -Ecke im Wohnraum von SS -Sturmbannführer Hanrath.
Bleibt anzumerken, dass der Enkel einen gewissen Respekt vor SS -Ritualen des »Julmondes« bewies, indem er zur feierlich gestalteten Übergabe keine Kerze aufsteckte (wie das erst zur Sonnwende üblich war), vielmehr illuminierte er die kleine Tonpyramide mit einer elektrischen Weihnachtsbaumkerze. Aber auch mit dieser ›Säkularisierung‹ (so H.-G. Hanrath) erfüllte die Präsentation ihren Zweck: Die Werkstücke gewannen geradezu magische Aura, die Bündel von Dollarscheinen fielen noch dicker aus. Bei besonders erfolgreichem Abschluss (etwa einer fünfgliedrigen Vollgussbrücke in Gold) präsentierte Enkel Hanrath zusätzlich ein Herzstück der Familiensaga: Den Instrumentenkoffer, der Arthur Hanrath zu Reichskanzlei, Berghof und Führerhauptquartier begleitet hatte: Eiche, massiv; metallener Tragegriff; sieben flache Schubladen mit Einteilungen für ingesamt 38 Behandlungsinstrumente, von denen etlliche in Hitlers Mund eingeführt worden waren: Berührungsreliquie für »Freunde des Hauses«.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass diskrete Abwicklungen auch mit VIP s anderer Länder und Kontinente erfolgten. Zahlreich die Bestellungen aus Südamerika, speziell aus Argentinien. Bestellungen ebenso aus Japan, zuweilen unter Berufung auf die vormalige Achse Großdeutschland/Kaiserreich, auf den Schulterschluss von Führer und Tenno. Bestellungen zudem von millionenschweren Republikanern der Vereinigten Staaten – auch hier, wie zu erwarten, Bezahlung in Cash. Diskrete Bestellungen aus Österreich wurden abgesegnet mit dem Hinweis, Hanraths Zahnfürsorge für die SS sei ein Beitrag gewesen zum Kampf gegen den Bolschewismus: Indem er in hohen und höchsten Rängen der SS und NSDAP Gebisse in Ordnung brachte, sorgte Hanrath dafür, dass Kampfgeist und Kampfkraft erhalten blieben.
Zu den Randerscheinungen des lukrativen Geschäftsgebarens ein weiterer Hinweis zur Binnenatmosphäre des Dentallabors. Im Rahmen flächendeckender Zerstörungen der Berliner
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