Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
hinter ihr stieß ein paar unverständliche Worte aus und hielt mit aller Kraft auf Wendra zu. Doch ehe er sie erreicht hatte, bekam auch ihr Pferd festen Boden unter die Hufe und zog sie aus dem Wasser. Gleich darauf folgte sie Jastail in nördlicher Richtung am Ufer entlang. Sie hatte keinerlei Gefühl mehr in den Beinen.
Schmerzhaft pfiff Wendra der schneidende Wind um die Ohren, während ihr Pferd sich abmühte, mit Jastails leichtfüßigem Renner mitzuhalten. Äste und Gestrüpp peitschten dicht an ihnen vorbei, denn sie bahnten sich nun einen Weg durch den dichten Wald am Flussufer. Zwei Mal wäre ihr Pferd beinahe gestürzt, erschöpft vom Schwimmen im eisigen Wasser. Doch es fing sich beide Male wieder und kämpfte darum, mit Jastails Pferd mitzuhalten.
Die Bäume ragten wie zahllose dunkle Säulen um sie auf, vom Mondlicht teils versilbert. Doch Wendra, die sich verzweifelt an die Zügel klammerte, blieb die Schönheit des Waldes verborgen. Sie sprengten platschend durch eine kleine Flussmündung und hinein in ein Tannendickicht. Auf einer kleinen Anhöhe hielt Jastail inne und lauschte mit zur Seite geneigtem Kopf in Richtung des Flusses. Wendra schaute hinab und sah eine Gestalt, die sich zwischen den Bäumen bewegte.
»Weiter!«, schrie sie schrill und trieb ihr Pferd mit kräftigen Tritten voran.
Als das Pferd an Jastail vorbeischoss, stürmte ein Bar’dyn aus einem dichten Gestrüpp hervor. Jastail blieb kaum genug Zeit, sein Schwert zu ziehen und sich umzudrehen. Der massige Körper flog seltsam anmutig durch die Luft und prallte seitlich gegen Jastails Pferd. Das Pferd, der Bar’dyn und Jastail gingen in einem Knäuel von Armen, Beinen und gezückten Waffen zu Boden. Augenblicklich sprang das Pferd wieder auf und schoss zwischen den Bäumen davon. Jastail rollte sich zur Seite ab, doch eine lange Bar’dyn-Hand hatte seinen Knöchel gepackt. Der Bar’dyn stieß ein feuchtes, schnarrendes Knurren aus und riss Jastail zurück. Wendra sah Blut am Bein ihres Entführers, wo die rasiermesserscharfen Klauen ihn eisern festhielten.
Der Spieler wehrte sich, doch gegen die Kraft des Bar’dyn hatte er keine Chance. Mit der linken Hand tastete Jastail auf der Suche nach Halt verzweifelt über den Boden, mit der Rechten umklammerte er sein Schwert. Als er merkte, wie sinnlos sein Fluchtversuch war, hörte er auf, sich gegen den Bar’dyn zu wehren, riss blitzschnell das Schwert hoch und packte es mit beiden Händen. Als der Bar’dyn ihn an sich zog, nutzte Jastail die Kraft der Bestie aus und stieß ihr die Klinge in die Schulter.
Der Bar’dyn ließ ihn los und schoss hoch, heulend vor Schmerz. Das Gebrüll ließ die Bäume erbeben und vibrierte durch den Boden. Jastails Schwert ragte wie ein bizarrer Körperschmuck aus der Schulter der Kreatur. Diese tastete vorsichtig danach und wimmerte kehlig. Mit einem schmerzhaften Ruck und einem schmatzenden Geräusch riss der Bar’dyn die Klinge aus seiner zähen Haut. Der eine Arm hing schlaff herab, doch mit der anderen Hand hob er Jastails Klinge hoch und betrachtete aus nächster Nähe das Blut, das in kleinen Rinnsalen an der Klinge herablief. Er grunzte laut, schleuderte das Schwert beiseite und richtete den hasserfüllten Blick auf Jastail, der rücklings davonkroch, sich mit dem unverletzten Bein über den Boden schob.
Wendra erkannte ihre Chance zur Flucht. Jastail würde sterben oder wie durch ein Wunder den Bar’dyn doch noch besiegen. In jedem Fall konnte sie mehrere tausend Schritt weit weg sein, wenn der Kampf vorbei war. Sie schaute nach Norden und überlegte, ob sie dem Pferd die Fersen in die Seiten stoßen sollte.
Der Bar’dyn stapfte mit großen Schritten auf Jastail zu, der offenbar nicht aufstehen konnte. Jeden Moment würde die Bestie sich auf ihn stürzen, und Jastail würde sterben. Rechts von Wendra platschte es plötzlich laut am Flussufer – noch mehr Bestien aus dem Born. In wenigen Augenblicken würden sie die Wut zahlreicher Stilletreuer zu spüren bekommen. Die Bäume, das Gestrüpp, Jastail und der Bar’dyn, alles verschwamm vor ihren Augen, sie spürte heißen Atem in ihrer Lunge, der darauf brannte, in einem grausamen Lied über ihre Lippen zu strömen. Sie schüttelte den Kopf, schob diesen seltsamen, unwichtigen Gedanken beiseite und überlegte: Was würde Balatin tun? Ihre Beine wollten ihr noch immer nicht gehorchen – sie waren nach wie vor taub vom eiskalten Wasser des Flusses. Sie hätte nicht einmal stehen
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