Das Grab der Legionen
sehen. Wie sollen wir die Iberer unter solchen Umständen schlagen? Nun?"
„Beruhige dich, Servius Älius. Niemand bezweifelt deinen Mut. Das Land ist für Bandenkriegsführung sehr günstig, wer wird das leugnen! Aber es muß doch einen Weg geben, diese Brut auszurotten!"
„Gewiß. Alle Städte einschließen, stürmen und jeden Arevaken versklaven."
Jedermann wußte, das war unmöglich. Wenn zwei Legionen ergebnislos Numantia berannten... Das gesamte römische Heer müßte nach Iberien marschieren, um dieses Ziel zu verwirklichen... „Gab es Fälle von Meuterei, Desertionen?"
„Wo ich befehlige, kommt das nicht in Betracht. Ich verschaffe mir Gehorsam!"
Kein Centurio zuckte mit einem Muskel, obgleich jeder dies und das über Älius' Methoden gehört hatte.
„Aber es nützt wenig", gestand der Grausame ein. „Sie kämpfen versiert, aber lustlos. Gegen die Karthager, gegen die Gallier und gegen sonstwen... Das war ein ehrlicher Krieg, Mann gegen Mann. Die heimtückische Art macht die Legionäre krank und schwach... und ängstlich." Vielleicht wurden wir darum besiegt? fragte sich Älius im Stillen. Das Eingeständnis, daß alles umsonst gewesen war, hätte ihn zu schwer getroffen; er sprach nicht weiter.
„Ich habe gehört, daß neuausgehobene Turdetaner und Ilergeten zum Feind überliefen."
Ein offenes Geheimnis, dachte der Tribun, hob die Schultern und schwieg. Wozu darüber reden, wenn es jeder weiß?
„Sind wir denn wenigstens stark genug?" fragte Manius Atilius weiter.
„Wenn es nach den Zahlen ginge...! Wir haben dreißigtausend Mann unter Waffen, die Barbaren höchstens achttausend. Vier gegen einen - und trotzdem steht es so schlecht. Verfluchtes Land, verdammte Iberer!”
„Aber sie kämpfen auch für drei oder vier", bemerkte ein Hauptmann. „Selten, daß einer sich lebend ergibt."
Dazu äußerte sich der Statthalter nicht. Was würde der Senat zu solchen Argumenten sagen? Man setzte ihn ab, brächte er sie vor. „Irgendwie und irgendwann müssen wir die Iberer zur Entscheidungsschlacht zwingen - und wer die gewinnt, ist klar."
Älius nickte. Daß die geschulten Offiziere und die gedrillten Legionäre durch ihre Disziplin und Manövrierfähigkeit in einem solchen Treffen den Sieg davontragen würden, konnte nicht zweifelhaft sein. Auch die mutigsten Barbarenhorden würden am eisernen Wall der beiden Legionen zerschellen.
„Man nennt mich bisweilen Aulus", versetzte der Mann höflich und distanziert. Er hatte ein farblos-gleichgültiges Gesicht, man würde es schnell vergessen. Calpurnia wußte nicht genau, mit wem sie es zu tun hatte; sein Empfehlungsschreiben war von einem Advokaten aus Tarraco gesiegelt. Daß er einiges zu jenem Mord sagen könne - das war der Grund gewesen, den Verdächtigen überhaupt zu empfangen. Der neuernannte Aufseher stand bei ihr - für alle Fälle.
„Aulus - du hast gebeten, mich zu sehen. Weshalb?"
„Ich will für mich und meine Freunde einiges Silber verdienen. Tausend Denare botest du für einen verläßlichen Hinweis auf jenen Mörder."
Die Römerin wurde aufmerksam und straffte sich. Dieser Mann war kein dummer Schwätzer, er hatte etwas zu bieten. Aber was?
„Wer sind deine Gefährten?"
„Habe ich dein Wort, daß kein Wort unseres Gesprächs weiterverbreitet wird? Schwört Lucius Flaccus' Gattin dies bei den Göttern?" Diese Vorsichtsmaßregel stärkte Calpurnia in ihrer Ansicht. „Beim capitolinischen Jupiter - sobald du gegangen bist, werde ich dich vergessen haben. - Sprich!"
Der Farblose zauderte dennoch und betrachtete Carus forschend. Daß Unfreie nach römischem Recht keine Zeugen waren, stand fest; in solcher Lage aber mußte er sichergehen. Einer anderen Person als dieser Frau würde Tarracos Unterwelt sowieso nie ihr Geheimnis preisgegeben haben. Doch Flaccus' Tod mißfiel selbst den Dieben und Räubern, weil die Willkür der käuflichen Provinzialgerichte ihnen nach diesem Mordfall das Leben schwermachte.
„Keiner meiner Freunde", begann er leise, „hätte deinen Gatten überfallen. Das ist keine Frage der Beute. Es gibt Verbrechen, die sich nicht auszahlen. Wir wissen das sehr genau. Als der Mord ruchbar wurde, ging auch in unseren Kreisen die Frage reihum: Wer war es? Du weißt sicher, Calpurnia - nichts wurde geraubt."
„Ich weiß."
„Kein Dieb würde so vorgehen. Nur im Notfall greift man zum Dolch. Gelegenheit zur Flucht - verzeih, Herrin! - hätte selbst ein tolpatschiger Räuber gehabt. Der Senator war nicht
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