Das Grab der Legionen
damals einige Burgen als mögliche Aufenthaltsorte des Titus. Der Händler wird trotzdem lange suchen müssen."
„Er versprach, alle in Frage kommenden Ortschaften spätestens bis zum Hochsommer zu besuchen. Einiges Silber erwartet den Erfolgreichen. - Ich will Sicherheit, kein Vielleicht und Möglich."
II
Vor Numantia
Kein Wölkchen schwebte am Himmel. Auch dieser Tag würde in praller Sonne wie viele vor ihm glühen. Über den östlichen Bergen war es hell. Rötliches, gelbes, dann blendendweißes Licht zitterte über fernen Gipfeln.
Nur kurz sangen die Vögel. In der Vormittagshitze bereits erstarb jeder Laut. Überall lag dicker grauer Staub. Um diese Jahreszeit schien der Wind Numantia vergessen zu haben. Es gab Ausnahmen, an die man sich voll Unbehagen erinnerte - dann barsten Bäume unter Blitzschlägen, dann wirbelten Sand und Steine umher.
Stumm und müde hockten die Iberer auf den Mauern und lauschten den Hornrufen. Seit langem war das römische Lager wach. Die Anzeichen sprachen dafür, daß die Legionen an diesem Tag stürmen wollten.
Wachsame Augen spähten in alle möglichen Verstecke am Hügel. Verbarg sich irgendwo ein Feind? Nachts mochte einem gewandten Mann das Anschleichen gelingen, tags mußte er fliehen, um den Pfeilen geübter Bogenschützen zu entgehen.
Nur ein Weg führte nach Numantia, der von Osten sanft ansteigende Hang. Woanders versuchten die Legionäre nicht einmal Scheinattacken, so sinnlos war das; sie wären nie bis zum Mauerfuß gekommen.
Die meisten Krieger hatten in der Nacht mehr schlecht als recht am zugewiesenen Platz geschlafen, die Waffen bei der Hand. Einmal bereits hatten die Römer einen nächtlichen Sturm gewagt - wer konnte wissen, wann der zweite angesetzt wurde!
Zu sehen war wenig. Die Mauer des römischen Lagers und die Stadtbefestigungen befanden sich ungefähr auf gleicher Höhe, doch beträchtlich voneinander entfernt.
Immer höher stieg die Sonne, die Wärme nahm zu. Wenn sie stürmen wollten, dann mußten die Legionen jetzt antreten! Nur zu früher Stunde hatten die Verteidiger die Sonne im Gesicht. Die Römer wußten das natürlich, noch nie hatten sie nachmittags angegriffen.
Schließlich hatte das zermürbende Warten ein Ende. Aus dem Haupttor des Lagers quollen die langen Kolonnen. Gehüllt in riesige Wolken Lehmstaub, marschierte das feindliche Heer heran. Bis unmittelbare Gefahr bestand, würde noch eine Weile vergehen. Der Weg wich doch sehr von der Fluglinie eines Vogels ab, auch mochten in den Scharen die gefährlichen Speerschleudern mitgeführt werden eine weitere Erschwernis von fragwürdigem Nutzen.
Ohne sonderliche Eile alarmierten die Posten die nächstliegenden Hütten, von dort lief der Ruf weiter und weiter. In wenigen Augenblicken würde Numantia kriegsbereit sein. Ein Iberer brauchte wenige Vorbereitungen, um sich in den Kampf stürzen zu können: Speere, einen Schild, das Kurzschwert, vielleicht einen Helm, mehr hatte kaum jemand.
„Sie wollen stürmen." Avaros hatte eine erhöhte Bastion bestiegen, um einen besseren Überblick zu bekommen. Doch der Staub verhüllte alles. In der Stadt wappneten sich die Männer. Einige Scharen würden hinausreiten und den Angreifern zusetzen. Das war abgesprochen und bedurfte keiner neuen Erörterungen.
„Befeuchtet die Dächer!” rief Litennon und schwang sich zu seinem Sohn auf den Mauervorsprung. Trockenes Stroh fing allzu leicht Feuer, wenn Brandpfeile heran schwirrten. Nachts und an jenen Tagen, an denen die Römer nicht angriffen, schleppte man Wasser vom Duro herauf und sammelte es in Tongruben und gemauerten Becken. Einen Brunnen gab es nicht in Numantia.
Auf den Mauern erschienen immer mehr Gesichter - junge, alte, kampfesmutige und gleichgültig verzweifelte. Die Kämpfer legten die Waffen zurecht und betrachteten noch einmal die Stelle, an der sie fechten und vielleicht sterben würden. Die meisten standen auf der Ostmauer der Stadt, manche aber warteten in der Vorstadt Saledilla. Sie lag auf einem Vorsprung im Südosten der Hügelkuppe, gleichsam eine Außenbastion. Wer dort Bogenschützen aufstellte, konnte die Angreifer fast im Rücken fassen - die Legionen hatten das zu spüren bekommen und fürchteten jene Iberer wie die Pest.
Noch lange würde es dauern, ehe sich die Römer zum Angriff bereitstellten. Fürs erste wurde die Marschkolonne in drei Sturmlinien umgebildet. Währenddessen verließen gepanzerte Reiter die Stadt und trabten nordostwärts. Punier waren die
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