Das Grab der Legionen
meisten, aber auch einige besonders kühne Iberer. In dieser Stunde dachte niemand daran, daß man die Gäste aus dem Süden einstmals unmutig angeschaut hatte. Das war vergessen. Maharbal ritt an der Spitze, mit einigen Wurfspeeren über dem Sattel und mit dem Vorsatz im Herzen, keinen Römer entkommen zu lassen. Viele dachten ebenso.
Manch einer wäre gern mit ihnen gezogen. Doch die römischen Reiter fochten zwar schlechter, waren aber zahlenmäßig weit überlegen. Vielleicht würde keiner dieser Tapferen zurückkehren. Das wußten nur die Götter.
An der Heiligen Eiche flehten die Priester um die Hilfe der Gottheit und sprachen die althergebrachten Gebete. Litennon hatte sich nach einer Inspektion der Krieger in das Heiligtum begeben. Mit den anderen Ratsmitgliedern schaute er den uralten Baum an. Wie Wind und Wetter vergeblich gegen dessen Zweige und Äste anstürmten, rannten die römischen Feinde gegen die Mauern der Stadt. Freilich erinnerte sich der alte Mann auch daran, daß nichts ewig von Bestand war. Er hatte sehr alte Eichen stürzen sehen. Die Erinnerung bereitete ihm Unbehagen.
Pfiffe schreckten ihn aus dem Nachgrübeln. Ein Bursche eilte heran und störte die feierliche Stille. Mit einer Geste bedeutete er Litennon, daß die Römer angriffen. Nun galt es zu handeln.
Er rückte den Schwertgurt zurecht, verneigte sich noch einmal vor der graubestäubten Eiche und lief zum südlichen Abschnitt der Ostmauer. Hier waren die Befestigungen am ehesten zu überwinden, hier und am nächstgelegenen Tor würden die Legionäre ihre Kräfte einsetzen, die widerspenstige Stadt endlich zu erobern.
Staub wirbelte umher und verbarg die Linien der heran marschierenden Römer. Nur Hornsignale drangen zu den Iberern. Die feindliche Reiterei lieferte den Ausgebrochenen bereits ein erbittertes Gefecht. Bald waren alle in der unübersichtlichen Hügellandschaft verschwunden.
Hier und da bot sich eine Lücke im gelbgrauen Staub; die Verteidiger sahen, wie lange Leitern und anderes Belagerungsmaterial herangeschafft wurden. Eigentlich war das unnötig. Numantias Mauerring wies ohnehin gefährliche Lücken auf. Doch nach Meinung der Arevaken schirmte der Kampfgeist besser als steinerne Wälle...
Der Hang war mäßig steil und nicht schwer zu ersteigen, auch behinderten die Rüstungen und Waffen die Römer kaum. Ein lateinischer Befehl erscholl, die Legionäre erhoben die Schilde und bildeten einen metallenen Schirm. Langsam drangen sie vor, gedeckt und bereit zum Angriff.
Die ersten Pfeile flogen von der Mauer, aber bei der blendenden Sonne und den Staubwolken war ein genaues Zielen unmöglich. Fast alle prallten gegen Rüstungen, Helme oder das Schilddach, nur wenige rissen Männer zu Boden, dennoch kam in die Reihen erste Unordnung.
Wie ein Hagelschlag prasselten die römischen Geschosse. Hier und da sank ein Krieger zusammen, doch die meisten hatten sich rechtzeitig hinter die Mauern geduckt, gegen die zahllose Pfeile trommelten.
Vielleicht fünfzig Schritt noch - die Legionäre der vordersten Reihen rannten voran und richteten die Sturmleitern auf. Wurfspeere flogen ihnen entgegen, Steine fielen herab, wohlgezielte Pfeile galten den Decurionen. Diese Taktik - auf die Männer mit den Federbuschhelmen zu schießen - verwirrte die Centurien immer aufs Neue .
Kriegsgeschrei und Hilferufe, Kommandos und Angstgebrüll vermischten sich mit dem Krachen fallender Steine und dem Knallen aufprallender Pfeile zu einem unbeschreiblichen Lärm.
Eine Balliste schleuderte stöhnend einen Speerhagel zu den Bastionen. Mehrere Verteidiger stürzten von den Mauern herab. Die Römer erreichten das Tor. Nachdem die Reiter hinausgeritten waren, hatten die Iberer dort hastig Balken angehäuft - ein undurchdringliches Hindernis.
Der kommandierende Tribun schickte seine besten Männer, doch sie trafen auf verzweifelt fechtende Iberer. Jetzt, da mehrere Legionäre schon die Leitern erstiegen, durften auch die mörderischen Speerschleudern nicht mehr eingesetzt werden.
Ein Centurio stieß zwei Arevaken nieder und erreichte die Treppe, die von der Mauer zur Stadt führte. Schon wollte er triumphieren, da sah er, wie einige Frauen die Bogen spannten. Zwei Pfeile bohrten sich ihm in den Hals. Schreiend polterte er die Stufen hinab. Er war in Numantia - tot.
Wenig später hatten die Verteidiger die Lücke geschlossen und warfen die Römer von der Mauer. Zielsichere Schützen töteten die Legionäre an der Balliste, so daß dort
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