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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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weg, als hätte er sie bedroht. Zögernd ließ sie den feinen, mit Fuchspelz besetzten Mantel aus der Hand gleiten, blieb aber auf den Knien und sah zu Editha hoch. »Es geht um meinen Vater, edle Herrin. Er … er soll ausgepeitscht werden, hat der Schultheiß gesagt, aber er ist alt und krank.« Sie fing an zu weinen. »Das überlebt er nicht, das weiß ich genau. Und er hat … er hat nichts Unrechtes getan.«
    Editha nahm sie beim Arm und zog sie auf die Füße. Mit gesenktem Kopf, die Hände vor dem Rock verschränkt, blieb die Frau vor ihr stehen.
    »Was wird ihm denn vorgeworfen?«, fragte die Prinzessin.
    »Er soll … zu leichte Brote verkauft haben, aber …«
    »Dein Vater ist Bäcker?«, unterbrach Otto.
    Sie nickte, wagte aber immer noch nicht, ihn anzuschauen, sondern sprach weiter zu seiner Gemahlin: »Euer neuer Schultheiß hat gesagt, er will alle Brote nachwiegen und überprüfen, ob die Menschen von Magdeburg nicht betrogen werden. Er kam … er kam mit seinen Gehilfen und Bütteln und seiner Waage in die Backstube, und jetzt sagt er, unsere Brote sind zu leicht. Nicht nur unsere. Mein Schwager auch und der rote Manfred auch. Von den vier Bäckern in Magdeburg sollen drei … sie sollen alle drei ausgepeitscht werden, weil sie Betrüger sind, sagt der Schultheiß, aber ich schwöre bei Donars Hammer und beim Blut Jesu Christi, dass wir dieselben Gewichte benutzt haben wie immer. Mein Vater ist kein Betrüger. Aber Euer Pfund … wiegt mehr als ein Pfund«, schloss sie hilflos.
    »Das ist allerdings eigenartig«, murmelte Otto.
    »Meine Schwester … ihr Mann ist auch einer von denen, die bestraft werden sollen, und sie hat zu mir gesagt: Lauf zur Pfalz, hat sie gesagt, und bitte Prinzessin Editha um Hilfe, denn sie ist gütig und barmherzig und klug. Und hier bin ich nun, edle Herrin.« Sie fing wieder an zu schluchzen. »Helft uns, ich bitte Euch …«
    Editha war die Szene sichtlich peinlich. Womöglich war ihr vor allem peinlich, als ›gütig, barmherzig und klug‹ bezeichnet zu werden. Thankmar hatte schon gelegentlich beobachtet, dass sie verlegen wurde, wenn man sie lobte. Aber natürlich nahm sie sich zusammen, ließ sich ihr Unbehagen nicht anmerken, legte eine ihrer Lilienhände auf den Ärmel der drallen Bäckerstochter und fragte: »Wie ist dein Name?«
    »Gundula, edle Herrin.«
    »Alsdann, Gundula: Ich werde sehen, was ich für euch tun kann. Jetzt geh heim. Und sei guten Mutes. Prinz Otto duldet keine Ungerechtigkeit in seiner Stadt.«
    Zum ersten Mal wagte die junge Frau, Otto ins Gesicht zu schauen, auch wenn es nur für einen Lidschlag war. Dann knickste sie und eilte davon.
    Während Editha und ihre Schwester ihr noch nachschauten, pfiff Otto durch die Zähne und winkte Udo heran, der wie ein dräuendes Unwetter in der Nähe gelauert hatte. »Geh zu Asik, Udo, und richte ihm aus, die Bestrafung der Bäcker fürs Erste auszusetzen.«
    »Wie Ihr befehlt, mein Prinz«, sagte Udo und verneigte sich, aber seiner Stimme war anzuhören, dass er Ottos Anweisung missbilligte. Natürlich tat er trotzdem wie geheißen, auch wenn sein Laufschritt von der eher gemächlichen Sorte war.
    »Lasst uns einen Happen essen«, schlug Otto vor.
    Sie betraten die Halle. Gero, Siegfried und ihre Frauen saßen mit Hermann Billung zusammen und lauschten einem Priester in einem staubigen Reisemantel, der mehrere Holzschachteln vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Und hier ist die Urkunde des Erzbischofs von Köln, edle Herren, die die Echtheit meiner Reliquien bestätigt«, sagte er und entrollte ein Dokument mit einem beeindruckend großen Siegel.
    Otto blieb bei der kleinen Gruppe stehen. »Geht es deiner Tochter besser, Gero?«, fragte er.
    Der nickte, aber seine Miene war finster. »Es war nur ein bisschen Fieber, weiter nichts. Sie ist gesund und munter.«
    »Aber Gero …«, begann Judith zu widersprechen. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen. Man konnte ihr ansehen, dass sie die ganze Nacht bei ihrer Tochter gewacht und um sie gebangt hatte.
    »Schluss«, herrschte Gero sie an. »Ich will nicht, dass du noch einmal wiederholst, was dieser heidnische Scharlatan gesagt hat. Ich muss wirklich von Sinnen gewesen sein, ausgerechnet nach ihm zu schicken …«
    Otto und Thankmar wechselten einen Blick.
    Egvina hatte unterdessen das Beglaubigungsschreiben des Priesters überflogen. »Hier steht kein Wort von heiligen Reliquien«, bemerkte sie. »Es ist eine Lehensurkunde des

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