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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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war sichtlich unwohl, aber er schüttelte störrisch den Kopf. »Ich will mich nicht bei Nacht davonschleichen, wie andere es getan haben. Aber ich kann nicht hier bleiben, während daheim die Häuser und Scheunen meiner Vasallen in Flammen aufgehen.«
    »Der Herzog von Schwaben und seine Männer sind nach Sachsen aufgebrochen, um das zu verhindern.«
    »Ja, aber Hermann kann Eberhard von Franken auf dem Feld nicht das Wasser reichen, das wissen wir doch alle.«
    »Ich weiß nichts dergleichen.« Otto biss die Zähne zusammen und achtete darauf, dass nichts in seinem Gesicht seine Gefühle preisgab. Wenn Odefried ging, war er verloren, wusste er. Falls er das nicht ohnehin schon war …
    Seit beinah zwei Monaten belagerten sie jetzt die Festung Breisach. Und ganz gleich, wie lange es dauerte und was es sie kostete, Breisach musste genommen werden, weil es ihnen den Weg ins Elsass versperrte. Aber Eberhard von Franken war entwischt, hatte sich bei Nacht mit einem Boot davongemacht und sich mit Giselbert und Henning zusammengetan. Jetzt wüteten und plünderten sie in Sachsen, doch natürlich war nicht die Beute ihr eigentliches Ziel, sondern die Demoralisierung der königlichen Truppen. Todsicher Eberhards Idee. Und sie ging auf. Nacht um Nacht schlichen sich Soldaten aus seinem Lager, Bauern ebenso wie Edelleute, weil sie um ihr Hab und Gut und ihre Familien daheim fürchteten. Und weil sie ihren Krieg für verloren hielten. Erzbischof Friedrich, hatten sie vor zwei Tagen erfahren, hatte sich nach Metz begeben und warb für Eberhard von Franken neue Truppen an.
    Die Reihen seiner Feinde schwollen an, wusste der König, während seine eigenen sich lichteten.
    Sein langes Schweigen steigerte Odefrieds Nervosität. »Ich … ich sehe nur einen Weg, der es mir ermöglichen könnte, an Eurer Seite zu bleiben, mein König.«
    Ottos Pferd tänzelte rastlos. Er nahm die Zügel kürzer. »Und zwar?«
    »Wenn Ihr Euch entschließen könntet …« Odefried senkte den Blick, hob ihn aber sofort wieder. »Wenn Ihr mir Lorsch gebt, wäre ich in der Lage, meine Männer besser zu bezahlen und zu versorgen.«
    »Lorsch?«, wiederholte der König. »Wie in aller Welt kommt Ihr ausgerechnet darauf?«
    Odefried zuckte die Achseln. »Es ist reich.«
    »Das ist es allerdings«, stimmte Otto mit einem unverbindlichen Lächeln zu. Als er sah, wie weiß die Knöchel seiner Hände geworden waren, lockerte er den Griff um die Zügel ein wenig. »Doch Lorsch ist ein Reichskloster und gehört somit dem Allmächtigen, Odefried. Wie könnte ich es Euch also geben?«
    »Reichskloster oder nicht, Ihr seid der oberste Lehnsherr«, widersprach der Graf.
    »Das mag wohl sein. Aber wie kommt Ihr nur darauf, dass mir einfallen könnte, es der Kirche zu stehlen und stattdessen ausgerechnet Euch zu geben, einem Mann, der seinem König in der Stunde der Not den Rücken kehrt und ihn zu erpressen versucht? Das darf ich nicht tun, denn so spricht unser Herr Jesus Christus: ›Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen.‹«
    Leises Gelächter plätscherte hier und da unter den Reitern der Eskorte, aber Odefried war kreidebleich geworden.
    »Also reitet nur nach Hause«, schloss Otto. »Ich habe Euch nichts zu bieten, um Euch hier zu halten. Lebt wohl, Odefried.«
    Er ritt an und würdigte ihn keines weiteren Blickes.
    Hardwin, Konrad und die anderen folgten ihm schweigend.
    Otto schlug ein scharfes Tempo an und folgte dem schmalen Pfad, der etwa parallel zum Fluss durch den Wald führte. Die Schönheit des Morgens und die balsamweiche Stille des Waldes hoben seine Stimmung ein wenig, aber trotzdem hörte er Thankmar in seinem Kopf spötteln: Großartig. Gut gemacht, Otto, wirklich. Nur Gottes Walter auf Erden könnte es fertigbringen, einen seiner mächtigsten Grafen mit einem Bibelzitat tödlich zu beleidigen …
    Und natürlich hätte er recht.
    Aber was sollte ich tun? Nachgeben, damit er bleibt und unsere Sache hier nicht gänzlich hoffnungslos wird? Und dann? Was, wenn er bei nächster Gelegenheit wiederkommt und ein anderes Kloster fordert?
    Wie Otto schon beim Tod seines Vaters gewusst hatte, war das Schlimmste am Amt eines Königs die Einsamkeit seiner Entscheidungen. Denn auch wenn er ein Dutzend Ratgeber anhörte, war er am Ende mit seiner Entscheidung doch immer allein. Das konnte er ertragen, solange er etwas hatte, worauf er diese Entscheidungen gründen konnte. Etwas, das ihm die

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