Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Taille mit einer golddurchwirkten Kordel gegürtet. »Dergleichen habe ich noch nie gesehen.«
Egvina blickte zufrieden an sich hinab. »Deine Schwester Gerberga hat uns in ihrem letzten Brief beschrieben, was die Damen am westfränkischen Hof jetzt tragen, und ich habe es mir anfertigen lassen.«
»Was macht Gerberga in Westfranken?«, fragte Otto seine Gemahlin, während sie ihre Plätze an der Mitte der Tafel einnahmen. »Oder genauer gesagt: Was macht Giselbert von Lothringen in Westfranken?«
Editha legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Wenn ihr Gemahl finstere Absichten hätte und zum westfränkischen König überlaufen wollte, würde Gerberga uns sicher keine so arglosen Briefe über Mode schicken.«
»Es sei denn, es war der einzige Weg, der ihr blieb, uns zu warnen.«
Editha dachte einen Moment nach. »Vielleicht hast du recht«, räumte sie ein. »Ich schreibe deiner Schwester Hadwig und berichte ihr von diesem unerhörten neuen Schnittmuster. Sie wird es der Königin erzählen. Mathildis deinem Vater. Dann weiß er, was wir wissen, ohne dass du Verdächtigungen gegen Giselbert von Lothringen ausgesprochen hast, die möglicherweise unbegründet sind. Der König hat ganz andere Mittel und Wege als wir, die Wahrheit über Giselberts Absichten in Erfahrung zu bringen.«
Jesus Christus, was täte ich ohne diese Frau? , dachte Otto nicht zum ersten Mal, doch er nickte lediglich. Nicht nur Hermann unterstellte ihm, dass Editha einen zu großen Einfluss auf ihn habe. Auch Thankmar glaubte das. Darum war Otto lieber diskret, wenn er die Ratschläge seiner Frau befolgte. Es raubte ihm nicht den Schlaf, wenn Thankmar ihn aufzog. Er war sich indes bewusst, dass es für einen jüngeren Bruder nie einfach war, den Respekt des Älteren zu erlangen, dass Thankmars Respekt für ihrer beider Zukunft aber von größter Wichtigkeit war.
Er sah zu Siegfried und Gero hinüber. »Ihr bringt Neuigkeiten, sagte mir die Wache?«
Die Brüder berichteten von der Ermordung des böhmischen Fürsten, während die Diener das Nachtmahl auftrugen: Bohneneintopf mit Speck, deftiges, dunkles Brot und Schmalz, geschmorte Birnen.
Otto aß bedächtig, während er sich durch den Kopf gehen ließ, was er gehört hatte. Schließlich fragte er: »Ich nehme an, ihr habt den König zuerst unterrichtet?«
Siegfried schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht, wo er ist.«
»In Memleben.«
Gero protestierte mit einem Schnauben. »Das sind fast hundert Meilen.«
»Aber er muss es umgehend erfahren«, beharrte Otto. »Wir können nur raten, was passiert, wenn dieser Boleslaw die slawischen Völker zu einem neuen Aufstand anstachelt.« Und er wünschte sich, dass der Befestigungswall um Magdeburg bereits fertig wäre. »Der König muss vorbereitet sein.«
»Ich reite hin«, erbot Henning sich unerwartet.
»Das ist gut von dir, Bruder, aber wir können einen Boten schicken. Ein Ritt von hundert Meilen ist kein Vergnügen zu dieser Jahreszeit, und zum Glück mangelt es uns ja nicht an zuverlässigen Männern. Udo, zum Beispiel.«
Zornesröte stieg Henning in die beinah noch bartlosen Wangen. »Du vertraust die Nachricht also lieber Udo an als mir, ist es das?«
Ich fürchte, ja , dachte Otto.
Henning war sechzehn, so alt wie er selbst gewesen war, als er die Brandenburg erstürmt hatte. Aber Henning war anders. Vielleicht lag es daran, dass er der Jüngste war, mal abgesehen von Brun natürlich, der aber nicht wirklich als Prinz zählte, weil er ja Bischof werden sollte. Jedenfalls kam Henning ihm nie sonderlich erwachsen vor, und man musste damit rechnen, dass er nach einem Tagesritt durch ungemütliches Wetter auf der Burg irgendeines Grafen Zuflucht suchte und wochenlang dort blieb. Oder dass er Siegfrieds Nachrichten irgendetwas hinzudichtete, um sich wichtig zu machen. Doch Otto wusste, dass er eines Tages auch diesen Bruder brauchen würde, also sagte er: »Unsinn, Henning. Natürlich kannst du nach Memleben reiten, wenn es dein Wunsch ist. Ich hoffe, du wirst es nicht als Kränkung auffassen, wenn ich dir eine starke Eskorte mitgebe?«
Henning war versöhnt. »Nein, natürlich nicht, Otto. Die Straßen sind unsicher, ich weiß.«
»Allerdings.« Und vor den Männern der Wache würde Henning sich schämen, wenn er unterwegs trödelte. »Falls du es aushältst, mir noch einen Gefallen zu tun, könntest du Edithas Brief an Hadwig mitnehmen.« Er würde Editha bitten, Hadwig auch die Nachrichten aus Böhmen zu berichten. Seine Schwester
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