Das Haus der bösen Mädchen: Roman
sie ihm vor die Füße. Er lief rot an, holte mit der freien Hand aus, schlug jedoch nicht zu, sondern bückte sich rasch und hob die Tasche auf.
»Wir müssen wirklich aufs Klo!« Swetas Stimme klang heiser und klagend. Sie sah nur ihre Schwester an und wich den Blicken der anderen aus.
»Was denn, alle beide?« Gulliver lachte spöttisch.
»Ja, alle beide! Dringend!«
Die drei Männer sahen sich an, der Tarnmann wies mit einem Kopfnicken auf eine Tür unter der Treppe.
»Das hast du von deinem Chanelkleid«, flüsterte Sweta, »ich habs doch geahnt.«
»Von dem Kleid können sie gar nichts wissen!«
»Sie müssen nur in deine Tasche kucken!«
»Nun überleg doch mal, Sweta, mach keine Panik. Na schön, sie entdecken irgendeinen blauen Fetzen. Na und? Nein, es ist nicht das Kleid. Es ist was anderes, lass mich nachdenken …«
»Da gibts nichts groß nachzudenken: Larissa! Sie hat alles gehört und gequatscht, sie kann denen sonstwas weisgemacht haben, zum Beispiel, dass wir ihr das selber erzählt haben. Klar, sie wird schließlich kaum zugeben, dass sie gelauscht hat. Wir beide haben doch sofort kapiert, dass Mama Isa nichts davon wissen darf, sonst hätten sie uns ja nicht abgeholt, als sie nicht da war, und nicht extra gesagt, wir sollten den Mund halten. Angenommen, Larissa hat alles Mama Isa oder Ruslan erzählt. Und wir beide sind schuld, schließlich kann sie die Information nur von uns haben. Bloß eins kapier ich nicht: Was hat sie davon?«
»Ganz einfach!« Ira lachte sarkastisch auf. »Sie ist neidisch, weil sie uns nehmen und sie noch nicht.«
»Und was haben die jetzt mit uns vor?«
Die Tür wurde aufgerissen; sie ließ sich nicht von innen verriegeln. Die Mädchen wurden ebenso wortlos durch das gläserne Wohnzimmer in die Küche geführt und von dort eine kurze Treppe hinunter in einen dunklen Keller. Es roch nach Öl und frischen Holzspänen. Ein Schalter klackte, brummend ging ein lebloses luminiszierendes Licht an. Auf dem Betonfußboden lag und stand Baumaterial herum – Fliesen, Bretter und Eimer mit eingetrockneter Farbe.
»He, seid ihr total bescheuert?«, rief Ira. »Sie werden uns suchen! Sie reißen euch allen die Köpfe ab!«
Die einzige Antwort waren ein schnappendes Schloss und Schritte auf der Treppe.
Achtundzwanzigstes Kapitel
»Nein, wir können unmöglich die ganze Zeit hier drin hocken und nicht aus dem Haus gehen.« Während dieses Monologs massierte Xenia ihrem Kind Beine und Arme. »Ach, deine Mama ist doch ziemlich dumm«, fuhr Xenia fort, »was hat mich da bloß geritten? Warja ist natürlich sehr nett, undich bin ohne jede Kommunikation schon völlig verwildert, aber das ist keine Entschuldigung. Das war vielleicht die größte Dummheit meines Lebens – einem fremden Menschen mein intimstes Geheimnis zu erzählen. Wenn meine Schwiegermutter das erfährt – das verzeiht sie mir nie. Was mache ich jetzt nur? Auf Warjas Ehrenwort hoffen? Oder einfach auf alles pfeifen und weggehen?« Sie zog Mascha an. »Alles hier ist vom Geld meiner Schwiegermutter gekauft. Irgendwie sogar ich selbst. Ich kann nur splitternackt mit Mascha auf dem Arm von hier weg, sonst würde ich mich als Diebin fühlen. Ach, bin ich blöd, warum bin ich nur so furchtbar blöd!«
Das Telefon klingelte, und sie fuhr erneut zusammen aus Angst, den groben, abgehackten Bass ihres Mannes oder das unheilvolle Schweigen des Banditen zu vernehmen. Sie erwartete nichts Gutes. Doch eine freundliche Stimme sagte erstaunt: »Xenia, meine Liebe, warum bist du denn in Moskau?«
»Ach, Galina, wie schön, dass Sie anrufen!« sagte Xenia und errötete. »Ich will Mascha impfen lassen, wenigstens gegen Kinderlähmung.«
»Aber darüber haben wir beide doch schon mehrfach gesprochen, wir wollten das auf den Herbst verschieben.« In der Stimme der Schwiegermutter klirrte die gewohnte metallische Härte. »Wie geht es Mascha? Ist sie gesund?«
»Ja, sie ist vollkommen gesund.«
»Na Gott sei Dank, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Aber erklär mir doch bitte, warum hast du es mit der Impfung plötzlich so eilig?«
»Die Säuglingsschwester hat mich auf der Datscha angerufen, es sei eine Epidemie ausgebrochen und ich müsse mein Kind entweder impfen lassen oder schriftlich bestätigen, dass wir darauf verzichten und die Verantwortung für eventuelle Folgen selbst übernehmen.«
»Und wer hat euch nach Moskau gefahren?«
»Wir sind mit der Bahn gekommen.«
»Mein Gott, Xenia, was soll denn das? Ich
Weitere Kostenlose Bücher