Das Haus in den Wolken
sie sich von ihm entfernte, fand sie es einen Moment verwunderlich, dass sie es tatsächlich geschafft hatten, ein Kind in die Welt zu setzen. Sie hätten eigentlich steril sein müssen, wie die Hybriden, die Gil züchtete.
Auf der Ãberfahrt mit der Fähre saà sie an Deck, obwohl es bitterkalt war. Ein junger Mann, der Bürsten und Schuhcreme verkaufte, unterhielt sich mit ihr; er winkte ihr zu, als sie in Heysham in den Zug stieg. Es war sieben Uhr, als sie in London ankam. Sie war den ganzen Tag unterwegs gewesen und war sehr müde. Ruby hatte versprochen, sie am Euston-Bahnhof abzuholen. Sara blickte sich suchend um, aber von Ruby war nichts zu sehen. Sie blieb mit ihren Koffern in der Bahnhofshalle und wartete.
»Entschuldigung«, sprach jemand sie an, »sind Sie vielleicht Mrs. Vernon?«
Sie drehte sich um. Ein groÃer, dünner Mann mit langer Trauermiene, die sie an einen Bluthund erinnerte, stand halb hinter ihr. »Ja«, sagte sie.
»Ich bin Edward Carrington.« Er gab ihr die Hand. »Ruby muss länger arbeiten«, erklärte er ihr. »In ihrer Abteilung ist gerade schwer was los, darum hat sie mich gebeten, Sie abzuholen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen.«
Er lächelte. »Ruby sagte, ich solle nach einer rothaarigen Schönheit Ausschau halten. Ich wusste sofort, dass Sie die Richtige sind. Darf ich Ihnen das Gepäck abnehmen?«
Isabel traf sich im Lyons am Piccadilly Circus mit Philip. Ein Trio spielte Tanzmusik, und einige Paare tanzten. Philip küsste ihre Wange, als er zu ihr an den Tisch kam.
»Ich hätte nicht gedacht, dass das hier dein Geschmack ist, Mama.«
»Ich mag die Musik.« Als die Bedienung kam, bestellte Philip Tee für Isabel und ein Glas Médoc für sich.
»Hat Sara dir geschrieben?«, fragte Isabel.
»In letzter Zeit nicht, nein.«
»Sie hat Gil verlassen. Und das Kind.«
»Ach Gott.« Philip lehnte sich zurück. »Für immer?«
»Ich glaube, ja.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Sie wohnt bei Ruby. Sie will nicht nach Hause kommen, und selbst wenn sie wollte, würde Richard es ihr nicht erlauben.« Isabel legte ihre Handschuhe zusammen und steckte sie in ihre Handtasche.
»Lässt Gil sich scheiden?«
Isabel schüttelte den Kopf. »Für die Familie kommt eine Scheidung nicht infrage. Man kann es Gil und Caroline kaum verübeln. In der Familie Vernon hat es nie eine Scheidung gegeben. So wenig wie bei uns.«
»Ich nehme an, Dad ist wütend.«
»Er lehnt es ab, mit Sara zu sprechen.« Sie presste einen Moment die Lippen aufeinander, ehe sie hinzufügte: »Aber er wird ihr früher oder später sicher verzeihen.«
Philip sagte nichts.
»Ja, ich weià schon«, sagte Isabel heftig. »Es ist wirklich lächerlich, Philip. Was ist nur aus unserer Familie geworden. Eines meiner Kinder lebt Hunderte von Kilometern entfernt, und Richard glaubt offenbar, er könnte so tun, als gäbe es die beiden anderen nicht. Und dabei waren wir einmal so glücklich.«
Philip zuckte mit den Schultern. »Es liegt ganz bei Dad. Er muss den ersten Schritt machen.«
Isabel schwieg, während die Bedienung ihnen den Tee und den Wein servierte. Dann sagte sie gedämpft: »Du machst es dir leicht, Philip, wenn du sagst, dein Vater müsse den ersten Schritt machen. Ganz schuldlos warst du schlieÃlich auch nicht. An dem Sonntag â«
»Ich wollte es euch nicht auf diese Art und Weise sagen. Es ist einfach passiert. Und ihr wärt doch sowieso entsetzt gewesen, ganz gleich, wie ich es euch gesagt hätte.« Mit einem neuerlichen Achselzucken fügte er hinzu: »Dad muss einsehen, dass Elaine und ich uns lieben.« Sein Ton und sein Blick waren unnachgiebig.
»Es ist sinnlos, das alles wieder aufzuwärmen.« Sie wandte sich ab und sah den Tänzern zu.
Aber sie hasste Streit mit ihrem Ãltesten, deshalb war sie es, die nach einer Weile das Schweigen brach. »Du siehst gut aus, Philip«, bemerkte sie und dachte dabei, wie schrecklich es war, dass sie sich auf freundliche Floskeln zurückziehen mussten.
»Es geht mir auch gut. Wenn ich auch viel arbeiten muss.« Philip hatte eine eigene Firma gegründet, die Möbel aus dem Fernen Osten importierte. »Elaine und ich haben uns gestern Abend einmal die Zahlen vorgenommen. Wir haben in den letzten sechs Monaten einen ganz netten Gewinn
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