Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
trinke nicht.« Er beugte sich vor, seine silbernen Augen nahe an ihrem Mund.
Silvia drückte sich noch mehr gegen die Wand. »Du bist ein Satyr und trinkst keinen Alkohol?«
Er tippte ihr mit dem Finger an die Nase, als wollte er sagen, dass sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Aber warum nicht?«
Er ließ seine Lippen an ihrem Hals entlangwandern und erklärte: »Sagen wir einfach, dass Alkohol eine ungünstige Wirkung auf mich hat.«
Sie runzelte die Stirn über das Rätsel, das dieser Mann darstellte, während sie sich gleichzeitig der Liebkosung seiner Lippen ergab. Nein! Sie würde Michaela nicht verraten. Sie versuchte, ihn mit einer heftigen Schulterbewegung abzuschütteln, doch das half nur wenig. Sie wandte den Kopf von seinen Lippen ab und sagte atemlos: »Das verstehe ich nicht. Auf den Weinbergen deiner Familie wachsen die Trauben, die das Lebenselixier für alle Geschöpfe der Anderwelt darstellen. Du und deine Brüder seid die Abkömmlinge von Bacchus – gesegnet mit der Fähigkeit, nach Herzenslust trinken zu können, ohne dadurch berauscht zu werden.«
»Alles richtig. Aber – ich bin die Ausnahme.«
Sie war fast glücklich über dieses neue Rätsel, um damit ihren Verstand zu beschäftigen. Nur zu bald würde der Tod kommen und sie zu grausiger Arbeit rufen. Sie schauderte.
Er drückte sie eng an sich und umschlang sie mit seinem Mantel, als fühlte er, wie müde sie ihrer Aufgaben war. Ihre Finger wanderten über seine Tasche, und er schob sie demonstrativ beiseite. Doch zuvor gelang es ihr, zu erfühlen, was er darin hatte. Es war tatsächlich ein Feuerstein! Wessen Stein es war, wusste sie nicht, dafür war der Kontakt zu kurz gewesen. Bastian musste im Laufe der Ausgrabungen darauf gestoßen sein.
Verdammnis! Ohne einen Wirt war sie nicht in der Lage, ihm den Stein abzunehmen. Sie mochte in der Lage sein, ihn anzufassen, solange sie gleichzeitig Bastian berührte. Doch sobald sie ihn losließ, würde der Stein direkt durch ihre Geistgestalt hindurch zu Boden fallen.
»Ich habe die Karaffe in deinem Arbeitszimmer gesehen«, erklärte sie herausfordernd. »Sie stank nach Alkohol. Wer sonst hat davon getrunken wenn nicht du?«
»Ich habe davon getrunken. Alle Satyrn müssen beim Herannahen des Vollmondes Alkohol zu sich nehmen, um die Rufnacht damit einzuleiten. Doch mein Getränk ist ein spezielles Gebräu, nur für mich hergestellt, weil ich nicht so trinken kann wie die anderen.« Verwirrt richtete er sich auf und drückte dann eine Hand gegen seine gerunzelte Stirn, während sein Blick für einen Moment klarwurde. »Bei allen Höllen. Ich glaube, du hast recht. Ich bin alko… alkoli… blau.«
Sie verdrehte die Augen. »Nun, ich bin sicher, dass es eine faszinierende Geschichte ist, wie es dazu kam, aber …«
Seine Hand glitt an ihren Hinterkopf, und er neigte sich wieder zu ihr. Sie erhob sich auf die Zehenspitzen, drückte gegen seine Brust und versuchte, mit Worten Distanz zwischen ihnen zu schaffen: »Du siehst lächerlich aus, weißt du. Du führst Selbstgespräche und umarmst leere Luft.«
Er verschränkte seine großen Hände unter ihrem Gesäß, hob sie in die Höhe und zog sie dabei näher an sich. Und als er das tat, öffneten sich ihre Beine wie selbstverständlich für ihn. »Du fühlst dich nicht an wie leere Luft.« Er schmunzelte, und sie zog scharf die Luft ein. So eng an ihn gedrückt, waren die Auswirkungen des bevorstehenden Vollmonds auf seinen Körper nur allzu offensichtlich. In all den Jahrhunderten ihrer Existenz hatte noch nie ein Mann sie so gehalten. Und obwohl ihr Herz wusste, dass es falsch war, begehrte ihr Körper ihn. Lippen legten sich auf ihren Mund.
»Michaela.« Sie flüsterte den Namen an seinen Lippen wie einen Talisman, um ihr Verlangen abzuwehren, hier und jetzt mit ihm zu verschmelzen. Sie drehte den Kopf und starrte über seine Schulter über den Platz, suchte ihre Freundin in der Menge. »Sie ist hier irgendwo, Bastian … Herr Satyr. Was, wenn sie uns so sieht? Wenn sie dich sieht, wie du mich festhältst, so … so unangemessen.« Bei der Aussicht, in dieser Position entdeckt zu werden, zappelte sie und versuchte, seine Hand wegzuschieben; das Verlangen, sich seinem Griff zu entwinden, war plötzlich stärker denn je.
»Ich wäre glücklich, dich noch weit unangemessener in meinen Armen zu halten, wenn du dich nur zeigen würdest. Eine Frau vögeln, die ich nicht sehen kann, da ist bei mir Schluss.«
Ganz
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