Das Hexenkreuz
er
sich bei seinem Camerlengo.
„Nein,
Heiligkeit. Dies wollte er ausschließlich mit Euch besprechen. Ich habe ihn in
Euer Uffizium geführt.“
„Nun denn.
Wie es scheint, kommt wieder einmal die Politik vor Gott…“ Clemens schlug das
Kreuz und erhob sich schwerfällig. Er reichte Rosenkranz und Stola an seinen
Camerlengo weiter und schritt dann hinter ihm her. Der russische Botschafter
lief unruhig im Empfangssalon auf und ab. Beim Eintreten des Papstes hielt er
inne. Clemens geschulter Blick erhaschte die Erleichterung auf dem Gesicht des
Russen, obwohl dieser sich sichtlich um eine gleichmütige Miene bemühte.
Nachdem Galitzin den Ring des Bischofs von Rom geküsst hatte, kam er gleich auf
den Grund seines Besuches zu sprechen: „Eure Heiligkeit! Euer Großinquisitor
Stoppani hat die Witwe des russischen Fürsten Wukolny ohne jede Veranlassung
verhaftet. Im Namen ihrer Majestät, der Zarin Katharina II., muss ich auf der
sofortigen Freilassung der Fürstin Wukolny bestehen!“
Die
Forderung überraschte den Papst. „Wukolny, Wukolny…?“, murmelte Clemens XIV.
Dann erhellte die Erinnerung sein Gesicht. „Handelt es sich bei dieser Dame
nicht gleichfalls um die Witwe des Herzogs von Pescara?“
„In der Tat,
Heiligkeit. Ich zolle Eurem Gedächtnis Respekt.“
„Bei dieser Dame
handelt sich in der Tat um eine hochgestellte Persönlichkeit. Ich kann mir darum
kaum vorstellen, dass Bischof Stoppani die Fürstin grundlos verhaftet haben
soll. Ich muss Euch gestehen, dass mir darüber nichts bekannt ist. Seid Ihr
Euch dessen denn sicher?“
„Absolut,
Heiligkeit. Die Richtigkeit dieser Behauptung ist einfach feststellbar. Ihr
könntet nach Bischof Stoppani schicken und ihn selbst dazu befragen.“
Eindringlich sah Galitzin den Papst an. Dies war der kritische Punkt. Würde
Clemens nachgeben? Pater Baptista hatte ihm gegenüber die Möglichkeit
angedeutet, dass man die Verhaftung vorerst geheim halten wollte, um Zeit zu
gewinnen.
Die
Persönlichkeit des Papstes galt allgemein als redlich und er hatte sich damit
Respekt erworben. Nun nickte er. „Es ist gut. Fragen wir ihn also selbst. Ich
werde nach ihm schicken lassen.“ Er läutete nach seinem Camerlengo. „Pater
Carlo Rezzonico, bittet den Bischof Stoppani in einer eiligen Angelegenheit zu
uns.“ Der Mann wandte sich bereits zu gehen, als der Papst ihm noch eine Frage
stellte: „Sagt mir Pater, ist Euch etwas über eine Verhaftung der Fürstin
Wukolny bekannt?“
„Ja, Eure
Heiligkeit. Sie befindet sich seit heute in unserem Gewahrsam.“
„Warum wurde
ich nicht darüber unterrichtet?“
Der
Camerlengo nahm die Farbe von verdorbener Milch an. Man konnte sehen, dass er
jetzt überall lieber auf der Welt wäre, als seiner Heiligkeit gegenüberzustehen.
Er hatte bereits seinem Onkel, dem verstorbenen Papst Clemens XIII. als
Camerlengo gedient und gehörte der Zelanti-Gruppe an, die den Jesuitenorden
unterstützte.
„Nun? Habt
Ihr plötzlich Eure Sprache verloren?“, forderte Clemens ihn sanft auf.
„Nein, natürlich
nicht“, stotterte dieser. „Es ist nur, Bischof Stoppani hat ausdrücklich darum
ersucht, Euch nicht mit dieser unbedeutenden Angelegenheit zu belästigen.“
„So, so.“
Clemens wirkte mit einem Mal sehr nachdenklich. Mit einer Geste entließ er
seinen Camerlengo. Dieser kehrte schnell zurück - ohne den Bischof. „Verzeiht,
Eure Heiligkeit“, verkündete er verhalten. „Aber seine Eminenz Bischof Stoppani
ist ausgegangen. Mir wurde gesagt, er befände sich bei Botschafter Moñino zu
Besuch in der spanischen Gesandtschaft.“
Clemens
ahnte, welches Süppchen Stoppani und der spanische Botschafter zusammenkochten ...
Er unterdrückte einen Seufzer.
Der Russe
schien es ebenfalls zu wissen. Er erhob sich halb und meinte: „Da die beiden
Herren sich am späten Abend ihren eigenen Interessen widmen, muss ich darauf
bestehen, dass den Interessen der Zarin Katharina ebenfalls Respekt gezollt
wird. In meiner Eigenschaft als der Vertreter ihrer Majestät der Zarin am
Heiligen Stuhl, ersuche ich Eure Heiligkeit, die Fürstin Wukolny sofort
freizulassen.“
Betrübt
schüttelte Clemens den Kopf. Dieses Dilemma behagte ihm sichtlich nicht. Er
wandte sich an seinen Camerlengo, der noch immer unschlüssig im Raum verharrte,
da der Papst ihn nicht entlassen hatte: „Da Ihr im Gegensatz zu mir
unterrichtet scheint, Pater Carlo, könnt Ihr mir sicherlich auch verraten,
welcher Vergehen sich die Fürstin schuldig gemacht
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