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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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Grund anzunehmen, dass sich jemand am Vormittag in Miss Rowes Wohnung aufhalten würde. Aber sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Schuhe konnten einen schneller verraten als ein Niesen.
    Sie benutzte den Schlüssel, der hinter einem losen Stück Fußleiste versteckt war. Das Versteck hatte Miss Rowe ihren vier einsamen Mädchen für den Fall verraten, dass ein VIP-Kunde ein unvorhergesehenes Date wünschte. Das würde natürlich durch Miss Rowe arrangiert werden. Die Männer durften sich nicht mit ihnen verabreden, ohne Miss Rowe einzubeziehen. Nicht dass einer so darauf gedrängt hätte, Jane zu sehen. Natürlich nicht.
    Die Männer konnten die Mädchen im Hof beobachten oder sie anhand von Schnappschüssen auswählen, die Miss Rowe von jedem Mädchen gemacht hatte. Jane nannte sie die "Lolita-Bilder", und sie fand ihres sehr exotisch. Trotzdem war sie nie ausgewählt worden. Zuerst war sie erleichtert gewesen, doch schon bald kamen ihr Zweifel, und sie fragte sich, was sie falsch machte.
    Jane war zu steif, fand Miss Rowe, nicht der Typ, von dem wichtige Männer träumten. Diese Neuigkeiten hatten Jane nach den Bemerkungen ihrer Stiefmutter nicht besonders überrascht. Nein, Jane wunderte es nicht, dass sie selbst kaum Ausstrahlung hatte – oder dass Breeze am beliebtesten war. Breeze schien die verwirrende Macht zu genießen, die sie über das andere Geschlecht besaß, auch wenn sie sie nicht verstand. Ivy war auch beliebt, aber sie hatte sich hinterher in ihr Zimmer eingeschlossen und sich geweigert, mit jemandem zu sprechen. Und Mattie hatte jeden Mann angespuckt, der sich ihr näherte. Sie war vielleicht die einzig Clevere der Gruppe.
    Nachdem Jane vorsichtig die Stufen erklommen hatte, warf sie einen Blick in Miss Rowes Wohnung. Das Wohnzimmer, das Miss Rowe den Salon nannte, nahm die gesamte Fläche des Turms ein, sodass sie ihren Besuch "anständig unterhalten" konnte. Sie hatte den kreisförmigen Bereich mit echten Chippendale- und Sheraton-Möbeln ausgestattet, handgearbeiteten Tiffanylampen und orientalischen Wandteppichen. Türkische Läufer schmückten den Hartholzboden, und in der Ecke vor dem Fenster blühte ihr Judasbaum, seine vollen rosa Blüten hingen an den glänzenden, nackten braunen Zweigen.
    Zu Janes Erleichterung sah der Raum verlassen aus. Breeze war schon hier gewesen und hatte ihren Teil des Plans ausgeführt, obwohl sie danach das große Zittern bekommen hatte. Euphorisch war Breeze gewesen, aber auch den Tränen nahe, als sie Jane danach auf dem Campus getroffen hatte. "Ich hab's getan", flüsterte sie. "Ich hab's getan. Sie wird niemandem mehr wehtun."
    Breezes Begeisterung hatte Jane über ihre eigenen Unsicherheiten hinweggeholfen. Und auch Breezes Timing war perfekt gewesen. Sie hatte eine gute Entschuldigung, um die ersten Stunden ausfallen zu lassen. Jeder wusste, dass es ihr nicht gut ging, also war sie gleich morgens auf die Krankenstation gegangen, wo die Schwester ihr sofort eine Entschuldigung ausgestellt und sie zum Ausruhen aufs Zimmer geschickt hatte. Zu Unterrichtsbeginn war Breeze über den Hof geschlichen – unbemerkt, wie Jane hoffte – und in den Turm geschlüpft.
    Diese Woche hatte Jane Hofaufsicht, was bedeutete, dass sie den Müll vom Boden aufsammeln musste – und einen Grund hatte, überall herumzuwandern. Ihre nächste Schulstunde fand in der Ogden Hall statt, dem Wissenschaftsgebäude, und sie musste sich beeilen, um rechtzeitig zurück zu sein. Matties Entschuldigung war schon fast zu perfekt. Die Wohnung in der sechsten Stunde aufzuräumen, gehörte zur Bestrafung für den Einbruch und die Verletzung der Schulregeln.
    Miss Rowes Schlafzimmer lag im dritten Stock, direkt über dem Wohnzimmer. Als Jane das Zimmer betrat, das die Direktorin ihr schwarzes Satinboudoir nannte, fand sie den Zerstäuber für das Gesichtswasser sofort. Sie und die anderen Mädchen waren wegen ihres speziellen Nachhilfeunterrichts oft mit Miss Rowe hier gewesen. Jane hatte Spaß an den Sitzungen gehabt, besonders wenn Miss Rowe über Hautpflege und Make-up gesprochen hatte.
    Die Mädchen faszinierte, wie sie aus Kräutern ihre exotischen Schönheits- und Heilmittel herstellte. Sie waren alle so stolz darauf gewesen, dass ihnen diese persönliche Aufmerksamkeit geschenkt wurde, bis Miss Rowe ihnen ihren großen Plan verriet. Danach wurde alles anders.
    Jane fischte Einmal-Gummihandschuhe aus ihrer Rocktasche und zog sie an. Als Nächstes nahm sie eine kleine Probeflasche mit

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