Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Tagen!«
»Ich weiß, aber wenn wir fünf Tage warten, sind wir tot.«
»Sollen wir in ein anderes Hotel gehen?«
»Unmöglich, sie kennen meinen falschen Namen. Wir müssen aus Kabul fliehen!«
»Wohin?«
»Keine Ahnung. Aber wir sollten möglichst schnell eine Lösung finden.«
»Ich bin am Empfang nicht gemeldet«, überlegte Zahra laut. »Sie kennen also meinen Namen nicht. Wir könnten in mein Dorf fliehen.«
»Wo ist das?«
»Zweihundert Kilometer weit weg, im Nordosten, nahe der pakistanischen Grenze. Von dort aus können wir noch weiter nach Norden fahren, Richtung Tadschikistan oder in ein anderes Land der ehemaligen Sowjetunion.«
»Wären wir dort in Sicherheit? Was passiert, wenn die Polizisten in deinem Dorf anrufen, bei deiner Familie?«
Zahra legte ihre Hand in die seine.
»Liebling, es gibt dort kein Telefon, kein Internet, keinen Strom. Es gibt nichts. Es liegt in Nuristan, der wildesten Gegend Afghanistans. Weder die Polizei noch die Armee begeben sich jemals dorthin. Niemand wird uns dort finden.«
»Gibt es dort Taliban?«
»Bei meinem letzten Besuch war es eines der wenigen Gebiete, in denen die Taliban verjagt wurden, und zwar ohne die Hilfe der Amerikaner.«
Mandrake schwieg und sah zum Fenster hin. »Ist der Weg dorthin nicht zu gefährlich?«
»Ich weiß es nicht. Aber mit Geld könnte man durchkommen. Immerhin habe ich es auch alleine mit meiner Mutter geschafft … bevor sie umgebracht wurde.«
Mandrake nickte.
»Okay, wir versuchen es, wir haben keine andere Wahl. Ich werde uns einen Wagen besorgen. Lass uns keine Zeit verlieren.«
Wie ein Raubtier im Käfig ging Joseph in dem überhitzten Raum auf und ab, in dem die Internetspezialisten am Werk waren. Der Minister persönlich hatte den NDS davon in Kenntnis gesetzt, dass Kandar untergetaucht war, aller Wahrscheinkeit nach in Kabul. Die Stadt wimmelte von Spionen: Allein wegen seiner ungewöhnlichen Körpergröße konnte der afghanische Polizist nicht lange unerkannt bleiben. Es war nur eine Frage von Tagen, bis sie ihn ausfindig gemacht hatten. Seine IT-Experten arbeiteten seit dem Morgen unablässig, durchforsteten die Gästelisten der Hotels auf der Suche nach Ausländern, nach Daten, die auf Nick zutreffen konnten. Da sie nicht wussten, ob dieser unter seinem echten Namen eingereist war, kontrollierten sie jede Datei manuell. Waren sie mit den Übernachtungen in Kabul fertig, würden sie sich, mit Hilfe des NDS, den anderen Städten Afghanistans widmen. Das würde einige Zeit in Anspruch nehmen.
»Sir!«, rief plötzlich einer der Spezialisten. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden. Es ist so unglaublich, das müssen Sie mit eigenen Augen sehen!«
»Nick?«
»Nein, Sir. Mandrake. Er hat sich unter dem Namen Lionel Milton angemeldet. Serena Hotel Kabul, Suite 308.«
»Was reden Sie da? Léonard Mandrake? Er ist hier, unter einem falschen Namen?«
»Ja, Sir. Sehen Sie selbst!«
»Joseph nahm den Ausdruck zur Hand. Er kannte Mandrakes Gesicht auswendig, kein Zweifel: Das war er. Was machte er hier, in Kabul, unter einem falschen Namen? Das war der letzte Ort, an dem er nach ihm gesucht hätte.
»Ist er das, Chef?«
»Ja.«
»Was treibt er hier?«
»Keine Ahnung. Seit zehn Jahren hat er mit diesem Scheißland zu tun, er muss Freunde hier haben, von denen uns nichts bekannt ist.«
»Was sollen wir tun?«
Ein warmer Schauer überlief Joseph, wie jedes Mal, wenn er einen Mann auf der Flucht aufgespürt hatte. Sein Jagdinstinkt. Alle hatten sie nach Mandrake gesucht, in Europa, in Asien, in den Vereinigten Staaten, aber er war der Erste, der ihn gefunden hatte.
Die Schlinge hatte sich zugezogen: Mandrake würde zur gleichen Zeit wie Nick und der afghanische Bulle sterben. Der Tod dieser drei Männer würde die Probleme, die er hatte, auf einen Schlag lösen. Endgültig.
»Macht euch fertig«, befahl er seinen Männern. »Waffen, schusssichere Westen. Wir greifen sofort ein.«
Hastig stieg Osama aus dem Wagen, gefolgt von Nick. Abdul Dost hatte ihnen Waffen geliehen, die sie jedoch im Auto an der Straßenecke zurücklassen mussten. Es war verboten, direkt gegenüber dem Hotel zu parken, und eine Waffe ins Innere des Hotels zu schmuggeln war ausgeschlossen, selbst dann, wenn man einen Polizeiausweis besaß. Das Hotel war wie ein Hochsicherheitstrakt bewacht. Am ersten Kontrollpunkt standen Wachposten mit Sturmgewehren. Osama zeigte seinen Ausweis vor. Der Wachposten salutierte und ließ sie aufs
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