Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
eigentlich eher ziemlich schlampig.«
»Dann lässt sie sich vielleicht unter einem Mikroskop noch entziffern. Ich habe so etwas einmal in Moskau gesehen, auf die Art und Weise konnte sogar ein Fall geklärt werden. Schick einen Mann ins Labor der Spurensicherung.«
»Okay, Chef. Sonst noch was?«
»Das ist doch schon mal eine ganze Menge«, sagte Osama. »Meine Theorie zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass es sich um einen als Selbstmord getarnten Mord handelt. Dieser Mord hat entweder mit Informationen zu tun, über die Wali Wadi verfügte, oder mit irgendwelchen Dingen, die er tat. Ihr müsst also seine Wohnung und sein Büro nochmals durchsuchen und seine Geschäftsangelegenheiten genau unter die Lupe nehmen. Ohne Aufsehen zu erregen, versteht sich.«
»Wonach suchen wir denn, Chef?«
»Nach etwas, das erklärt, weshalb uns der Minister persönlich Steine in den Weg legt.«
Joseph traf seine Kontaktperson im hinteren Teil des Cafés vor einem dampfenden Chai an. Der Mann war klein und dick, trug einen dichten Schnurrbart und einen kurzen Kinnbart, hatte graues Haar und eine Bürstenfrisur. Er schien sich zu freuen, dass es zu diesem Treffen kam. Bei Begegnungen mit Spionen des BND wechselte offenbar immer ein Umschlag seinen Besitzer, das Risiko dabei war minimal. Joseph legte seinen
Pakol
ab.
»Ich heiße Helmut und bin ein Kollege eines Ihrer Freunde in Berlin, ich arbeite an einem Spezialfall. Ihr Gesprächspartner, mit dem Sie sonst zu tun haben, weiß nicht, dass wir uns hier treffen. Sie müssen unbedingt Stillschweigen über unsere Begegnung bewahren.«
»Kein Problem«, erwiderte der andere mit einem Lächeln. »Ich stehe Ihnen zur Verfügung.« Sein Deutsch war von einem starken pakistanischen Akzent gefärbt. Zweifelsohne kam er aus einer der Stammeszonen. Mit einem Fingerschnippen bestellte er Tee. Der Wirt stellte ihn zusammen mit einem Korb heißer Fladen und Butter auf den Tisch. Der Polizist stürzte sich darauf, als hätte er seit zehn Tagen nichts mehr zu essen bekommen. Joseph probierte vorsichtig. Die Fladen waren wunderbar zart, aber die Butter schmeckte leicht ranzig. Er legte seinenFladen auf das Stück Zeitungspapier, der als Serviette diente, und fragte sich, durch wie viele Hände sie wohl gegangen war, bevor sie auf seinem Tisch gelandet war.
»Wie ist momentan die Stimmung im Kommissariat?«, fragte er, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
Der Polizist wischte die geschmolzene Butter ab, die ihm übers Kinn lief.
»Gut. Wir haben jetzt viele Dinge, die wir vorher nicht hatten, Radio, Rechner, Wagen, mit denen wir auf Streife gehen können. Ich selbst habe mehrere Drogenhändler festgenommen und habe dafür von meinen Vorgesetzten eine Prämie bekommen. Der Kampf gegen die Drogen schreitet voran.«
Joseph hätte am liebsten laut aufgelacht. Sogar der Bruder von Präsident Karzai war in den Drogenhandel verstrickt, die Polizei aber verhaftete allenfalls kleine Fische, ohne sich jemals an die großen Tiere heranzuwagen. Es entspann sich eine Diskussion über die politische Situation, dann über die ISAF. Joseph hörte aufmerksam zu, trotz seiner wachsenden Ungeduld, denn er wollte seinen Gesprächspartner nicht brüskieren. Nach einer Viertelstunde hielt der Polizist inne und sah Joseph fragend an. Es war Zeit, auf das Eigentliche zu sprechen zu kommen. Joseph stellte seine Tasche auf den Tisch.
»Hier drin sind zwei Dinge, die Sie sicherlich interessieren.«
Der Afghane zögerte ein paar Sekunden, doch dann siegte die Neugier. Er sah hinein.
»Dieses digitale Aufnahmegerät ist das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt. Das Mikrofon ist so empfindlich, dass man damit ein Gespräch durch die Tasche eines Kleidungsstücks hindurch aufzeichnen kann, und das aus einer Entfernung von bis zu drei Metern.«
»Ich soll also etwas aufzeichnen?«
»Ja, es geht um einen Polizisten des Zentralkommissariats. Ich brauche den Klang seiner Stimme. Sie müssten sich einen Vorwand ausdenken, um mit ihm ins Gespräch zu kommen,und ihn dabei mit dem Gerät in Ihrer Tasche aufnehmen. Er wird keinen Verdacht schöpfen.«
»Na gut«, sagte der Afghane nach kurzem Zögern. »Um wen handelt es sich?«
»Um Osama Kandar.«
»Um
Qoumaandaan
Kandar? Den Chef der Kriminalpolizei?«, fragte der Polizist erschrocken.
»Um genau den. Er ist aber Oberst, soweit ich weiß, kein Kommandant.«
»Kandar war der Anführer von Massuds Scharfschützen während des Kriegs. Er ist ein Held! Deshalb
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