Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
für wenige Stunden pro Woche. Ihr altes Haus war ständig voller Staub. Malalai hatte ihr schweres Gewand, das sie auf der Straße trug, gegen eine farbenfrohe leichte Tunika aus Seide und Baumwolle getauscht,die ihre Arme freiließ und ihren Busen eher enthüllte als bedeckte. Osama spürte, dass seine Kehle ganz trocken wurde.
»Sieh mich nicht so an«, scherzte sie, »du erinnerst mich an diese Figur aus einem amerikanischen Zeichentrickfilm, den Fuchs mit der heraushängenden Zunge.«
»Das ist kein Fuchs, sondern ein Wolf.« Osama legte seinen
Chakman
ab. »Du bist der lebendige Beweis, dass Allah die Frau geschaffen hat, um den Mann in Versuchung zu führen.«
»Ich darf mich also darüber freuen, dass mein Mann mich nach all den Jahren noch mit Vergnügen ansieht?«
»Solange nur ich allein dies tue. Zum Glück sehen dich die anderen nicht so«, erwiderte er und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
»Hör auf!«, fauchte sie und ließ den Staubsauger gegen die Wand krachen. »Ich weiß nur zu gut, dass du insgeheim die Regeln der Taliban in Bezug auf die Burka gutheißt! Bestimmt denkst du, dass es im Grunde nur zum Besten für uns Frauen ist!«
»Wir hatten diese Diskussion schon tausendmal. Die Burka ist unbequem zu tragen, das will ich nicht bestreiten, aber sie schützt euch auch vor den begierigen Blicken der Männer, das lässt sich nicht leugnen. Ich habe heute mit einer meiner ehemaligen Kolleginnen aus Moskau gesprochen, sie meinte, die Zahl der Vergewaltigungen in Moskau sei explodiert. Wenn du wüsstest, wie die Frauen sich dort anziehen, wenn sie abends ausgehen, oder im Sommer! Kein Wunder, dass es immer mehr Vergewaltigungen gibt.«
»Das ist ja nicht die Schuld der Frauen«, brach es aus Malalai heraus, »ihr Männer seid es, die ihr euch wie Tiere benehmt. Die ganze Zeit über denkt ihr an das Teil, das euch zwischen den Beinen baumelt! Wenn die Frauen euch Lust bereiten, ist das euer Pech. Ihr brauchtet ja nur mit einer Binde vor den Augen durch die Gegend zu laufen, anstatt uns Frauen aufzuerlegen,mit diesem widerlichen dunkelblauen Sack über dem Kopf auszugehen.«
»Du hast immer in der Stadt gelebt, aber die afghanische Kultur ist bäuerlich. Kabul ist nicht Afghanistan, Malalai! Auf dem Land kritisiert niemand die Burka. Das ist unsere Tradition. Der Koran schreibt es so vor.«
»Der Koran schreibt nichts dergleichen vor, das ist eine willkürliche Interpretation. In diesem Land dient doch alles dazu, uns zu unterdrücken. Im Koran steht dies, im Koran steht jenes, alles natürlich immer mit demselben Ziel: die Frauen zu unterdrücken, sie zu erniedrigen. Steht im Koran eigentlich auch, dass die Frauen staubsaugen müssen? In Amerika übernehmen das die Männer!«
»Malalai, das ist absurd. Kein Mann staubsaugt bei sich zu Hause!«
»Doch, das habe ich in einer Zeitschrift gelesen.«
»Das ist eine Lüge.«
»Nein, das habe ich gelesen, es war sogar ein Foto dabei.«
»Das war ein Homosexueller, also kein richtiger Mann.«
»Noch so eine intelligente Bemerkung, na bravo, wird ja immer besser. Osama, verstehst du nicht, dass man sich dem Diktat dieser religiösen Fanatiker widersetzen muss? Ich wünschte mir so sehr, du wärst anders als diese Männer!«
»Ich bin nicht wie sie«, protestierte Osama, »das weißt du doch!«
»Wenn du diese Feinde der Aufklärung nicht mit allen Kräften bekämpfst, dann unterstützt du sie durch deine Passivität!«
»Ich unterstütze sie nicht«, ereiferte er sich, »ich habe so viele Taliban umgebracht, dass man mich schwerlich der Feigheit ihnen gegenüber beschuldigen kann. Genug diskutiert, unser Gespräch führt zu nichts. Du liest zu viele ausländische Zeitschriften, das bringt nichts. Wo ist mein Teppich? Ich gehe jetzt beten.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte Malalai und versperrte ihmden Weg. »Osama«, fügte sie dann mit leiser Stimme hinzu, »lass dich nicht von diesen rückschrittlichen Ideen anstecken. Frauen haben das Recht, selbst zu entscheiden, wie sie leben wollen, wie sie sich benehmen und sich kleiden, ohne sich von den Männern etwas vorschreiben zu lassen. Wir sind keine Gegenstände, die vor ihrem eigenen Willen geschützt werden müssen. Frauen sind Männern gleichgestellt. Zum Beispiel im Beruf: Wäre ein Geburtshelfer besser als ich? Nein. Wir, die Stadtbewohner, die Frauen mit Ausbildung, müssen daran arbeiten, dass sich in der Mentalität dieses Landes etwas verändert, damit es Fortschritt
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