Das Kind der Stürme
mich zutiefst verletzt, denn seine gute Meinung bedeutete mir alles. Worte brachen aus mir heraus, bevor ich sie aufhalten konnte, hasserfüllte, verletzende Worte. »Das kannst du doch gar nicht wissen! Wie könntest du auch? Wie könntest du je verstehen, was ich getan habe, und warum? Es ist, als – es ist, als versuchte ein Straßenköter, die Bewegung der Sterne zu interpretieren. Unmöglich und lächerlich. Ich wünschte, du würdest mich endlich in Ruhe lassen! Ich kann dir nicht zuhören. Und ich kann nicht deine Freundin sein, nicht mehr. Ich brauche dich nicht, Darragh. Jetzt nicht, und nie wieder.«
Sobald es ausgesprochen war, konnte es nicht mehr zurückgenommen werden. Wir beendeten den Ritt in eisigem Schweigen. Er stieg ohne ein Wort vom Pferd und half mir höflich herunter, und ich nahm die sehr kleine Eule in die Hand und steckte sie wieder in die Tasche. Ich sah ihn an, und er sah mich an. Dann nahm er Aoifes Zügel und führte sie weg, und ich war allein.
KAPITEL 4
Es fing an zu regnen, und eines der Kinder hatte den Husten. Ich bot an, im Lager zu bleiben und mich um die Kleine zu kümmern, und Peg nahm mein Angebot dankbar an. Aber sie ließ auch Roisin zurück, zur Gesellschaft, sagte sie. Es fiel mir nicht schwer, Kindermädchen zu sein. Das kleine Mädchen machte keine Schwierigkeiten. Außerdem war es regnerisch, und ich würde nicht einmal daran denken müssen, mit Darragh zu reiten und schon gar nicht mit ihm zu reden. Schon der Gedanke an ihn verursachte, dass ich mich elend fühlte. Ich wusste, wie weh ich ihm getan hatte. Komisch, es kam mir vor, als spürte ich seinen Schmerz nun in meinem eigenen Herzen.
Während das Kind sich ausruhte, beschäftigte ich mich mit meinem anderen kleinen Schutzbefohlenen. Die Eule hatte die Nacht auf einer der Seitenstangen des Zelts verbracht, winzig und still. Vielleicht wollte sie mir nicht verraten, dass sie fliegen konnte. Sie schlief nicht den ganzen Tag, wie es eine gewöhnliche Eule tun sollte. Stattdessen hielt sie die Augen halb offen und beobachtete mich und schien gern die kleinen Bröckchen anzunehmen, die ich ihr reichte: Larven, Käfer und Ähnliches. In der Nacht, als die anderen tief schliefen, hatte ich zweimal gesehen, wie sie die zerzausten Flügel ausbreitete und tödlich und lautlos abwärts schoss und ein kleines Tier vom Boden pickte, dann kehrte sie zurück auf ihren Platz und fraß fein säuberlich mit dem winzigen Schnabel und den Krallen.
»Du bist eine Schwindlerin«, flüsterte ich, als ich neben dem Bett des Kindes saß, die Eule auf dem Finger, und ihr einen frisch ausgegrabenen Wurm vor den Schnabel hielt. Der kleine Vogel starrte den Wurm an, dann öffnete er den Schnabel und schnappte zu. Der Wurm verschwand. »Eine Schwindlerin.« Die Eule schloss die Augen zu Schlitzen, plusterte sich auf und schien einzuschlafen. Dann hörte ich Hufschlag draußen und setzte den Vogel hastig in seine dunkle Ecke zurück.
Roisins Stimme erklang, dann die eines Mannes. Ich warf einen Blick aus dem Zelt, dann zog ich mich wieder nach drinnen zurück. Ich nahm an, dass Roisin ihren jungen Mann nur einmal im Jahr sah. Das war nicht die leichteste Art einer Werbung – wenn es denn um so etwas ging. Ich saß still da und hörte ihre Stimmen, aber nicht die Worte. Im Geist war ich weit weg. Ich dachte an Vater und daran, dass er sowohl seine Liebste als auch seine Träume verloren hatte. Ich ging inzwischen davon aus, dass es gut war, dass ich jetzt nach Sevenwaters ging und nicht später. Es gab Dinge, die einem wehtun konnten. Menschen konnten einen verletzen. In meinem Leben gab es keinen Platz für so etwas. Und im Leben anderer gab es keinen Platz für mich oder die von meiner Art. Das wusste ich schon lange. Ich musste es mir nur immer wieder sagen, das war alles, und mit der Zeit würde der Schmerz verschwinden.
Der Regen hatte beinahe aufgehört. Von draußen, vom Feuer her, rief Roisin nach mir.
»Fainne?«
Ich kam aus dem Zelt. Der junge Mann kümmerte sich um das Feuer, und Roisin kochte Tee.
»Komm und trink Tee mit uns. Es wird kalt. Das da ist Aidan. Aidan, das ist Fainne. Sie ist eine Freundin von Darragh.«
Nicht mehr, dachte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
»Ich freue mich, dich kennen zu lernen«, sagte der junge Mann, und ich nickte.
»Aidan hat Neuigkeiten, Fainne.« Roisin klang ungewöhnlich zögernd. Ich starrte sie an. Ich konnte mir nicht vorstellen, welche Neuigkeiten mich irgendwie betreffen
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