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Das Land der Pelze

Das Land der Pelze

Titel: Das Land der Pelze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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das Aussehen der Oberfläche verändert. Aber unter diesem See, unter der Erde, unter dem Sande und unter unseren Füßen erstreckt sich ein Eisboden, der vermöge seiner specifischen Leichtigkeit auf dem Meere schwimmt. Ja, ein Eisfeld ist es, das uns trägt und das uns davon führt, und daher kommt es auch, daß wir während unseres Aufenthaltes hier weder einen Kiesel, noch sonst einen Stein gefunden haben. Daher kommen diese schroff abfallenden Ufer, daher die seltsame Erscheinung, daß wir bei der Anlage von Rennthiergruben zehn Fuß unter dem Erdboden auf Eis trafen, daher endlich die Unmerkbarkeit der Fluth an der Küste, weil das steigende und fallende Wasser die Insel gleichmäßig mit sich hob und senkte.
    – Wahrlich, jetzt erklärt sich Alles, Herr Hobson, fiel Mrs. Paulina Barnett ein, und Ihre Ahnung hat Sie nicht getäuscht. Doch möchte ich Sie bezüglich der Fluth noch fragen, warum sie früher am Cap Bathurst noch leicht bemerkbar war, während sie doch jetzt ganz verschwunden ist?
    – Ganz einfach, entgegnete der Lieutenant, weil sich die Halbinsel zur Zeit unserer Hierherkunft noch durch ihren biegsamen Isthmus an das Festland hielt. Sie leistete der Fluth eben dadurch einen gewissen Widerstand, und deshalb hob sich das Wasser an ihrer Nordküste noch um etwa zwei Fuß über den niedrigen Wasserstand, statt um zwanzig, wie es eigentlich hätte der Fall sein sollen. Von dem Augenblick aber, da das Erdbeben den vollständigen Bruch veranlaßte, und die nun völlig freie Halbinsel sich mit Ebbe und Fluth senken und heben konnte, wurde deren Einfluß gleich Null, was wir ja vor einigen Tagen bei Gelegenheit des Neumondes bestätigt gesehen haben.«
    Mit wechselndem Interesse hatte Thomas Black trotz seiner erklärlichen Verzweiflung der Auseinandersetzung Jasper Hobson’s gelauscht. Die Schlußfolgerungen des Lieutenants schienen ihm vollkommen richtig; aber wüthend darüber, daß solch ein seltener, unerwarteter, so »absurder« Vorgang, wie er ihn später nannte, gerade stattfinden mußte, um ihm die Beobachtung der Sonnenfinsterniß unmöglich zu machen, sprach er für jetzt kein Wort, sondern hörte düster und fast verschämt zu.
    »Armer Herr Black, sagte da endlich Mrs. Barnett, man muß wohl zugestehen, daß kein Astronom seit Entstehung der Welt ein solches Mißgeschick erlebt hat!
    – Auf jeden Fall, Madame, fiel Jasper Hobson ein, trifft uns keine Schuld an dem Unfall, und Niemandem ist deshalb ein Vorwurf zu machen. Die Natur hat es allein gethan, sie ist die einzig Schuldige. Die Erderschütterung hat das Band zerrissen, welches die Halbinsel an den Continent fesselte, und wir selbst sind von einer schwimmenden Insel entführt worden. Das erklärt auch, warum die Pelzthiere und andere, welche mit uns gefangen sind, in der Umgebung des Forts so zahlreich bleiben.
    – Und warum wir, mischte sich Madge in das Gespräch, in der guten Jahreszeit von dem Besuche aller Concurrenten verschont geblieben sind, deren Anwesenheit Sie, Herr Hobson, so besonders befürchteten.
    – Und warum, fügte der Sergeant hinzu, das vom Kapitän Craventy entsendete Detachement nicht bei Cap Bathurst anlangen konnte.
    – Und warum ich endlich, sagte noch Mrs. Paulina Barnett mit einem Seitenblick auf den Lieutenant, mindestens für dieses Jahr auf jede Rückkehr nach Europa verzichten muß.«
    Diese letzte Bemerkung hatte die Reisende in einem Tone gemacht, welcher bewies, daß sie sich in ihr Schicksal mit weit größerer philosophischer Ruhe ergab, als man hätte erwarten sollen.
    Sie schien sich ganz plötzlich in diese fremdartige Lage eingelebt zu haben, eine Lage, welche ihr mindestens eine Reihe interessanter Beobachtungen versprach. Und wenn sie verzweifelt gewesen wäre, wenn alle ihre Begleiter gejammert und sich gegenseitig beschuldigt hätten, konnten sie die Vergangenheit ungeschehen machen?
    Konnten sie den Lauf der umherirrenden Insel aufhalten, oder sie auf irgend eine Weise wieder an das Festland heften? Nein! In Gottes Hand allein lag das Schicksal des Fort-Esperance; seinem Willen mußten sie sich fügen.
Zweites Capitel
Wo man sich befand.
    Jasper Hobson beeilte sich, mit der Karte in der Hand, die neue, den Agenten der Compagnie unvorhergesehen geschaffene Lage möglichst sorgfältig aufzunehmen. Um aber die Länge der Insel Victoria – denn dieser Name wurde beibehalten – zu bestimmen, so wie es mit der Breite schon geschehen war, mußte der andere Tag abgewartet werden. Zur

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