Das Land der Pelze
Ganz und gar, bestätigte die Reisende; und da unser Tisch überall ist, wo wir uns niedersetzen, so wollen wir es sofort thun. Hier befindet sich gleich ein freilich etwas abgenutzter Moosteppich, den die Vorsehung eigens für uns ausgebreitet zu haben scheint.«
»Aushalten!« (S. 276.)
Die Provianttasche ward also geöffnet. Getrocknetes Fleisch und eine aus der Speisekammer der Mrs. Joliffe bezogene Hasenpastete bildeten nebst etwas Schiffszwieback die Speisekarte.
Eine Viertelstunde nach eingenommener Mahlzeit wandte sich Jasper Hobson noch einmal nach der südöstlichen Ecke der Insel zurück, während Mrs. Paulina Barnett am Fuße einer dürftigen, halb entästeten Tanne sitzen blieb, und der Sergeant sich mit der Einrichtung einer Lagerstätte für die Nacht beschäftigte Lieutenant Hobson wollte die Structur des Eisfeldes, welches die Insel bildete, untersuchen, und wenn möglich die Entstehungsweise desselben erforschen. An einer durch Einsturz entstandenen abschüssigen Stelle konnte er bis zum Meeresniveau hinabgelangen und von diesem Punkte aus bequem die steile Ufermauer betrachten.
An dieser Stelle stieg der Erdboden kaum drei Fuß über das Wasser heraus. Sein oberer Theil bestand aus einer dünnen Schicht von Erde und Sand, untermischt mit Trümmern von Muschelschalen. Den unteren Theil bildete eine zusammenhängende, sehr harte, fast metallähnlich gewordene Eislage, welche also unmittelbar die Humusdecke der Insel trug.
Diese Eisschicht überragte die Wasserfläche kaum um einen Fuß. An der frischen Schnittfläche waren die Einzelschichten des Eisfeldes deutlich zu unterscheiden. Die ganz horizontalen Ablagerungen schienen darauf hinzudeuten, daß die auf einander folgenden Frostperioden, denen sie ihre Entstehung verdankten, ein völlig ruhiges Wasser betroffen hatten.
Bekanntlich gefrieren Flüssigkeiten zuerst an ihrer Oberfläche; dauert der Frost dann länger an, so wächst die erste feste Schale von oben nach unten weiter. So ist der Vorgang wenigstens bei still stehendem Wasser. Bei fließendem dagegen hat man beobachtet, daß sich zuerst in der Tiefe Eisschollen bilden, welche später zur Oberfläche aufsteigen.
Für dieses Eisfeld, die Unterlage der Insel Victoria, aber war es nicht zweifelhaft, daß es am Ufer des Festlandes aus ruhigem Wasser entstanden sei, und drängte sich die Annahme auf, daß dasselbe an seiner unteren Fläche wegschmelzen werde. Gelangte es also in wärmere Gewässer, so mußte die Eisinsel an Dicke abnehmen, ihre Oberfläche dem entsprechend aber dem Niveau des Meeres näher kommen.
Hierin lag die größte Gefahr.
Jasper Hobson hatte, wie erwähnt, beobachtet, daß die feste Unterlage der Insel, also der eigentliche Eisblock, die Wasserfläche nur um etwa einen Fuß überragte. Nun weiß man aber, daß eine Scholle höchstens zu vier Fünfteln in das Wasser einsinkt. Ein Eisfeld oder ein Eisberg hat demnach für jeden Fuß sichtbaren Durchmessers vier Fuß unter der Wasserfläche. Doch ist nicht zu übersehen, daß schwimmende Schollen je nach ihrer Bildung und Entstehungsweise eine verschiedene Dichtigkeit, also ein wechselndes specifisches Gewicht aufweisen. Solche aus Meerwasser nämlich sind poröser, undurchsichtig, je nach der Richtung der Lichtstrahlen von blauer oder grüner Färbung, und leichter, als die aus Süßwasser entstandenen. Ihre Oberfläche steigt also etwas höher über das Meeresniveau empor. Gewiß bestand nun der Untergrund der Insel Victoria aus einer Salzwasserscholle.
Brachte Jasper Hobson auch das Gewicht der mineralischen und vegetabilischen Decke derselben in Anschlag, so gelangte er zu dem Schlusse, daß ihr Durchmesser unter dem Meere nur etwa vier bis fünf Fuß betragen könne. Das wechselnde Relief der Insel, ihre verschiedenen Bodensenkungen und Erhebungen, ging offenbar nur der erdig-sandigen Oberfläche derselben an, und machte die Annahme wahrscheinlich, daß die schwimmende Insel nirgends tiefer, als höchstens fünf Fuß, eintauche.
Diese Ueberzeugung weckte in Jasper Hobson sehr ernste Sorgen! Nur fünf Fuß! War es, ohne von der Auflösung zu reden, welcher die Insel aus verschiedenen Ursachen unterliegen konnte, nicht anzunehmen, daß der geringste Anprall hinreichen werde, sie durch und durch zu spalten? – Daß eine heftige Bewegung des Wassers, etwa durch einen Sturm oder nur durch einen einzelnen starken Windstoß, sie in einzelne Schollen zersprengen und ihrer völligen Auflösung entgegen
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