Das Land der Pelze
und schweigend dem Fortschreiten der Erscheinung. Um elf drei viertel Uhr sollten die beiden Scheiben einander decken.
»Elf Uhr dreiundvierzig Minuten«, sagte Jasper Hobson, der den Secundenzeiger seines Chronometers genau im Auge hatte.
Thomas Black, der über sein Instrument geneigt war, rührte sich nicht. – Eine halbe Minute verfloß.
Thomas Black erhob sich mit weit aufgerissenen Augen. Dann postirte er sich noch eine halbe Minute vor sein Ocular und rief, indem er sich eine Secunde lang erhob:
»Aber sie nimmt ab! Sie nimmt ab. Der Mond, der Mond entflieht! Er verschwindet!«
In der That glitt die Mondscheibe über die Sonne, ohne diese vollkommen verdeckt zu haben. Nur zwei Drittheile der Sonnenscheibe waren verfinstert gewesen.
Entsetzt war Thomas Black zurückgefallen. Die vier Minuten waren vorbei. Langsam wurde es wieder heller; der Lichtkranz hatte sich nicht gezeigt.
»Aber was in der Welt ist denn los? fragte Jasper Hobson.
– Was los ist! schrie der Astronom, daß die Verfinsterung keine vollständige, für diesen Punkt der Erdkugel keine totale gewesen ist. Verstehen Sie mich? Keine to–ta–le!
– Dann sind also Ihre Ephemeriden falsch!
– Falsch! O gehen Sie und sagen Sie das einem Anderen, Herr Lieutenant!
– Nun dann … rief Jasper Hobson, dessen Gesicht sich plötzlich veränderte.
– Dann befinden wir uns nicht unter dem siebenzigsten Breitengrade, antwortete Thomas Black.
– Das wäre! rief Mrs. Paulina Barnett.
– Das werden wir sogleich erfahren, sagte der Astronom, aus dessen Augen Zorn und Verzweiflung blitzten. In wenig Minuten geht die Sonne durch den Meridian … Meinen Sextanten! Schnell! Schnell!«
Einer der Soldaten lief nach dem Hause und brachte das verlangte Instrument.
Thomas Black visirte das Tagesgestirn, ließ es den Meridian passiren, dann senkte er seinen Sextanten und warf schnell einige Zahlen in sein Notizbuch.
»Wie hoch lag Cap Bathurst, fragte er, als wir vor einem Jahre hier ankamen und seine geographische Lage bestimmten?
– Unter 70°44‘37”! antwortete Lieutenant Hobson.
– Nun wohl, mein Herr, jetzt liegt es unter 73°7’ und 20”. Sie sehen, daß wir uns nicht im siebenzigsten Breitengrade befinden!
– Oder vielmehr, daß wir uns nicht mehr da befinden!« murmelte Jasper Hobson.
In seinem Geiste war es plötzlich hell geworden. Alle ihm bis jetzt unerklärlichen Erscheinungen wurden ihm nun klar! …
Das Territorium des Cap Bathurst war seit Ankunft des Lieutenant Hobson um drei Grad nach Norden – – abgewichen.
Zweiter Theil.
Erstes Capitel.
Ein schwimmendes Fort.
Das von Jasper Hobson an der Grenze des Polarmeeres gegründete Fort-Esperance war von seiner Stelle gewichen! Verdiente der muthige Agent der Compagnie deshalb einen Vorwurf? Nein, jeder Andere hätte sich dabei eben so getäuscht. Keine menschliche Vorsicht hätte vor einer solchen Zufälligkeit schützen können. Er hatte auf Felsen zu bauen geglaubt und hatte nur – auf Sand gebaut.
Dieser die Halbinsel Victoria bildende Theil des Landes, welchen die genauesten Karten des englischen Amerika an das Festland anfügten, hatte sich nun plötzlich davon getrennt. Im Grunde bestand diese Halbinsel nur aus einem ungeheuren Eisfelde von etwa hundertundfünfzig Quadratmeilen Oberfläche, dem allmälige Anschwemmungen nach und nach das Aussehen eines festen Landes, welchem weder die Vegetation, noch der Humus fehlte, ertheilt hatten. Seit undenklichen Jahrtausenden mit dem Ufer verbunden, hatte die Erderschütterung am 3. Januar seine Bande zerrissen, und aus der Halbinsel war eine Insel, aber seit drei Monaten eine umher schwimmende geworden, welche die Strömungen auf dem Arktischen Oceane hinwegführten.
Ja, ein Eisfeld war es nur, das Fort-Esperance nebst seinen Bewohnern davontrug! Jasper Hobson hatte es sogleich begriffen, daß die Veränderung der beobachteten Breite nicht anders zu erklären war.
Der Isthmus, d.h. die Landzunge, welche die Halbinsel Victoria mit dem Continente verband, war offenbar durch die Kräfte unterirdischer Convulsionen in Folge der vor einigen Monaten stattgefundenen vulkanischen Eruption gebrochen. So lange dann der Winter noch anhielt und das Meer unter dem strengen Frost fest blieb, veranlaßte dieser Bruch keinerlei Aenderung in der geographischen Lage der Halbinsel. Als aber das Thauwetter kam und das Eis unter den Sonnenstrahlen zusammen schmolz, als die Schollen in das freie Meer hinaus getrieben wurden und hinter dem
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