Das letzte Relikt
heute Nacht nicht zugemacht hatte. War es Beth gewesen? Nachdem sein Albtraum sie aus dem Schlaf gerissen hatte, hatte er geglaubt, sie sei sofort wieder eingeschlafen.
Avernus. Morgen würde er in der Universitätsbibliothek ein paar weitere Quellen nachschlagen müssen, um herauszufinden, ob es noch weitere Bezüge gab, die weniger erschreckend waren als die, die er bereits kannte.
Im Wohnzimmer schaltete er das Licht an, blickte über den leeren weiten Washington Square Park unter sich und ging schließlich zur Schlafzimmertür. Er wollte sie öffnen, stellte aber zu seiner großen Überraschung fest, dass sie sich nicht bewegen ließ. Er wusste ganz sicher, dass sie nicht abgeschlossen sein konnte, denn das Schloss war schon vor ihrem Einzug kaputt gewesen. Er probierte es erneut, und dieses Mal gab die Tür nach, wenn auch nur ein kleines Stück. Dann, als hätte sie einen eigenen Willen, schloss sie sich erneut.
Verwirrt stand Carter da. Gab es einen heftigen Windzug, der die Tür von der anderen Seite wieder zudrückte? Tatsächlich konnte er einen kühlen Luftzug unter der Tür spüren, der seine nackten Knöchel streifte. Er stützte die Schulter gegen die Tür und schob sie Stück für Stück etwa einen halben Meter weit auf. Er spähte durch den Spalt und stellte fest, dass das Fenster weit offen stand. Die Jalousien klapperten und hingen schief. Und plötzlich schien etwas sein Herz zu umklammern. Mit seinem ganzen Gewicht warf er sich gegen die Tür und erzwang sich Zutritt zu dem Zimmer.
»Beth!«, schrie er und stolperte über etwas Sperriges am Boden. »Bist du in Ordnung?«, rief er und schaffte es gerade noch, nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Beinahe nackt lag sie auf dem Bett, die Laken zurückgeworfen. Die obere Hälfte des Leoparden-Pyjamas fehlte völlig, und die Hose hatte sich um ihre Knöchel verheddert.
»Beth! Was ist hier los!«, drängte er und rannte zum Bett. »Beth!«
Doch so unglaublich es klang, sie schlief, tief und fest. Als er die Hand auf ihre Schulter legte und sie schüttelte, war es, als bewegte er eine Lumpenpuppe. Ihr Kopf rollte zurück, und ihre Haut war so kalt, dass sie überall Gänsehaut hatte. Ein feuchter Wind wehte durch das offene Fenster herein. Er sprang auf, schlug die Jalousien beiseite und zog das Fenster herunter. Draußen auf der Feuerleiter war der Geranientopf umgekippt.
Als er Beth erneut packte, öffnete sie langsam die Augen. »Beth, wach auf! Sprich mit mir!«
Aber es schien ihr schwerzufallen, ihn deutlich zu erkennen. Ihr verschwommener Blick wanderte im schwach erleuchteten Zimmer umher, als er eine Decke, die halb auf dem Boden hing, zurück aufs Bett zerrte und sie damit zudeckte.
»Beth, ich bin’s. Beth!«
Allmählich wurde ihr Blick klarer, aber damit schien auch Panik in ihr aufzusteigen. Ihre Finger umklammerten Carters Arme, und sie stöhnte voller Angst.
»Es ist alles in Ordnung, du bist okay«, sagte er immer wieder und versuchte, sie zu beruhigen. »Was ist passiert?« Dabei wollte sein Verstand es gar nicht so genau wissen … noch nicht.
Ihr Haar war zerzaust, als ob kräftige Finger es zerwühlt hätten.
»Ich dachte, ich sei derjenige mit dem Albtraum heute Nacht«, sagte Carter tröstend. Er lachte halbherzig. »Jetzt hattest du auch einen, was?« Er hoffte inständig, dass es nur das gewesen war.
Sie sagte immer noch nichts, sondern drängte sich nur an ihn.
Zärtlich rieb er ihren Rücken und blickte sich auf dem Boden um. Der Schlafzimmerteppich, der normalerweise vom Bettgestell an Ort und Stelle gehalten wurde, lag in einem Haufen vor der Tür. Das musste die Tür blockiert haben, und darüber musste er gestolpert sein.
Aber das erklärte noch lange nicht, wie der Teppich dort hingekommen war.
»Beth«, sagte er leise, »erinnerst du dich, ob du die Schlafzimmertür zugemacht hast?«
Er spürte, wie sie verneinend den Kopf schüttelte.
»Oder den Teppich verschoben hast?«
Erneutes Kopfschütteln.
Nein
. Er brauchte sie gar nicht erst wegen des offenen Fensters zu fragen. Er wusste, wie die Antwort lautete.
Aber was war dann passiert? Hatte sie schlafgewandelt, so wie Joe? In all den Jahren, seit sie zusammen waren, war ihm nie aufgefallen, dass Beth so etwas täte. Aber was war die Alternative? Dass etwas oder jemand anderes dafür verantwortlich war?
Soweit er erkennen konnte, war sie körperlich in keiner Weise verletzt. Zumindest das nicht. In der Luft lag ein seltsam frischer Duft, der ihn
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