Das letzte Relikt
einfach machen würde
.
Ehe sie recht wusste, was sie tat, hatte sie die Füße schon über das rote Absperrseil gehoben und tappte über die Webteppiche. Das Bett war massiv und hoch, und sie musste regelrecht hinaufklettern. Sie wusste, dass es verrückt war, trotzdem passte sie gut auf, damit sie die Bettdecke und die Vorhänge nicht durcheinanderbrachte. Das wäre nicht in Ordnung.
Die Decke musste aus der feinsten, weichsten Baumwolle gefertigt worden sein, die je gesponnen wurde, und die in Brokat gefassten Kissen waren perfekt arrangiert und schienen nur darauf zu warten, dass sie ihren müden Kopf und die schmerzenden Schultern darauf bettete. Nie zuvor in ihrem Leben war ein Bett so einladend, so bequem gewesen. Ich werde nur ein paar Minuten hier liegen bleiben, sagte sie sich. Sie würde ganz still liegen, versteckt hinter dem durchscheinenden Vorhang. Niemand würde es bemerken, niemand würde je davon erfahren.
Die Lider wurden ihr schwer. Die Dekorateure hatten einfach an alles gedacht und mussten sogar die Luft mit Düften bestäubt haben. Es roch nach … vom Regen gewaschenen Blättern. Beth empfand ein köstliches Gefühl des Wohlbehagens. Wenn sie doch nur ihre Schuhe ausziehen und unter das kühle glatte Laken schlüpfen könnte. Sie fühlte sich, als könnte sie ewig und unbehelligt schlafen, ohne durch schlechte Träume gestört zu werden.
Irgendwo in weiter Ferne meinte sie jemanden ihren Namen rufen zu hören. Aber sie war zu müde, um darauf zu reagieren.
Sie hörte ihren Namen erneut, etwas näher, und dieses Mal öffnete sie die Augen, gerade genug, um durch den Torbogen zu schauen, auf die gemalte Kulisse der endlosen wandernden Sanddünen. Jetzt konnte sie sehen, dass jemand oben auf der Düne stand. Im silbernen Licht des gemalten Mondes zeichneten sich die Umrisse eines Menschen ab.
Lächelnd schloss sie die Augen. Was für ein unglaublich talentierter Künstler. Vielleicht sollte sie herausfinden, wer es war. Er oder sie war zu gut, um Kulissen für ein Warenhaus zu malen.
Sie fragte sich, wo Carter wohl im Moment steckte. Wahrscheinlich im Krankenhaus, bei seinem armen Freund. Gott, wie furchtbar. Wenn Carter sich weiterhin die Schuld an den Ereignissen gab, würde es nur noch schlimmer. Sie wusste, dass er es tat, und sie kämpfte auf verlorenem Posten, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
Erneut wurde ihr Name gerufen, und als sie dieses Mal zu den Dünen blickte, war die Gestalt wesentlich näher. Sie erkannte die Silhouette eines hochgewachsenen Mannes. Bedächtig und langsam ging er durch den Sand … und ihr schläfriger Verstand versuchte, das unter einen Hut zu bringen. Wie um alles in der Welt hatte der Künstler diesen Effekt hervorgerufen?
Sie wollte aufstehen und nachsehen, aber ihre Glieder fühlten sich an wie Blei. Ihr Kopf war so schwer, dass sie bezweifelte, dass sie ihn jemals wieder von dem verzierten Kissen würde heben können, auf dem er ruhte.
Der Mann kam immer noch näher, bis sein Schatten durch den gewölbten Torbogen fiel. Nach und nach wurden seine perfekt geschnittenen Züge klarer … In diesem Moment spürte sie, wie ihr Magen sich umdrehte, und schmeckte eine heiße Flut in ihrer Kehle.
»Beth«, hörte sie, »Hier steckst du!«
Sie drehte sich zur Seite, und da nichts anderes zur Stelle war, erbrach sie sich in einen glänzenden Messingtopf, der neben dem Bett aufgebaut war.
»O mein Gott!«, rief Abbie, und riss die hellgelben Vorhänge zurück. »Ach, du meine Güte!«
Beth erbrach sich erneut, unfähig, es zurückzuhalten.
»Holen Sie ein paar Handtücher«, befahl Abbie der Verkäuferin, die entgeistert neben ihr stand.
»Das ist absolut nicht erlaubt«, rief die junge Frau aus. »Die Musterzimmer dürfen nicht betreten werden, und …«
»Holen Sie mir ein verdammtes Handtuch«, schrie Abbie, ehe sie sich neben Beth aufs Bett setzte und ihr einen Arm um die Schultern legte. »War es das?«, fragte sie sanft. »Geht es dir jetzt besser?«
Beth nickte beschämt. Dann blickte sie zum gewölbten Torbogen und der gemalten Kulisse. Niemand war dort.
Die Verkäuferin kehrte mit einigen Ralph-Lauren-Handtüchern zurück und reichte sie missmutig an Abbie weiter. »Die werden Sie bezahlen müssen«, sagte sie.
»Fein. Setzen Sie sie mit auf die Rechnung, zusammen mit diesem Nachttopf.« Mit einem Zipfel des Handtuchs tupfte sie Beth das Kinn ab, dann reichte sie es ihr. Beth vergrub das Gesicht in dem tröstlich dicken Stoff und
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