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Das letzte Sakrament

Das letzte Sakrament

Titel: Das letzte Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kowa
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und verkündet, dass er auferstehen wird. Sie können das selbst nachlesen, im Markus-Evangelium, Kapitel neun, Vers eins bis zehn.«
    Simovic blickte in die Runde. Jerome sah ihn entgeistert an, und die Schaulustigen, die sich um ihn herum versammelt hatten, schienen nicht weniger irritiert. Schließlich war er nicht dafür bekannt, ein Verkündigungsprediger zu sein. Er arbeitete ja auch nicht beim Bibelfernsehen, sondern bei BIGNEWS, dem bald größten Nachrichtensender der Welt.
    »Sie fragen sich jetzt sicher, wie ausgerechnet ich dazu komme, Bibelverse zu zitieren, zumal hier, auf dem Petersplatz in Rom«, sagte er und schenkte der Kamera sein freundlichstes Lächeln. Der Kameramann fing es ein und machte dann einen Schwenk über den Platz und zeigte den Obelisken in der Mitte und schließlich den Petersdom, der noch immer in der Sonne glitzerte.
    »Dort oben residiert der Papst«, fuhr Simovic fort und zeigte auf den Apostolischen Palast hinter sich. »Doch Sie werden es kaum glauben: Er weiß nicht, was wir gleich über Jesus Christus berichten werden.« Er räusperte sich. »Jesus Christus. Wir alle glauben an ihn. Und wir alle glauben, ihn zu kennen. Aber wie sah er eigentlich aus?«
    Eine Filmsequenz startete. Sie zeigte einige Gemälde mit dem Antlitz von Jesus. Als Erstes sah man den jugendlichen Jesus des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci, mit langem Haar und Vollbart. Als Nächstes erschien eine Ikone aus der Hagia Sophia, auf der Jesus deutlich weniger europäisch aussah, sondern fast orientalische Gesichtszüge aufwies. Dann folgten eine Reihe weniger bekannter Gemälde und schließlich die Bilder eines asiatischen, eines südamerikanischen und gar eines dunkelhäutigen Jesus.
    »Wie wir sehen, hat jeder seine eigene Vorstellung vom Sohn Gottes«, kommentierte Simovic. »Aber welches ist die richtige? Ich persönlich favorisiere eine andere. Ich erkläre Ihnen gleich, weshalb.«
    Auf dem Bildschirm erschien ein Farbfoto. Man sah den Kopf eines ungefähr dreißigjährigen Mannes mit langen schwarzen Haaren und Vollbart. Er hatte lebhafte Augen, einen durchdringenden Blick und schien in sich selbst zu ruhen. Das Bild erinnerte durchaus an den europäischen Jesus, auch wenn er einen etwas dunkleren Teint hatte und eine Spur orientalischer aussah.
    »Was Sie hier sehen«, sagte Simovic, »ist nur eine Computersimulation. Sie ist eine Verschmelzung der Abbilder auf dem Turiner Grabtuch und aus dem Schweißtuch von Oviedo. Und jetzt kommt das Entscheidende: Was ich Ihnen hier zeige, dürfen Sie eigentlich gar nicht sehen. Zumindest nicht, wenn es nach dem Vatikan geht. Vor drei Jahren hat er diese beiden Tücher untersuchen lassen, und zwar von drei unabhängigen renommierten wissenschaftlichen Instituten in Boston, Oxford und Basel.«
    Simovic sprach frei, ohne Notizen oder sonstige Hilfsmittel. Er hasste Teleprompter, ohne sie war es viel authentischer. Und darum ging es ja schließlich. Um Authentizität.
    »Dieses Bild von Jesus ist eines der Resultate der damaligen Untersuchungen. Es zeigt Jesus Christus kurz nach seinem Tod. Die Wundmale wurden mithilfe einer neuartigen Interpolationstechnik entfernt, sodass wir mit der Computersimulation visualisieren können, wie Jesus aussah, bevor er ans Kreuz genagelt wurde.« Simovic blickte verschwörerisch in die Kamera und machte eine kleine Pause, um die Spannung zu steigern. »Doch was wäre, wenn wir mehr hätten als nur eine Simulation?«
    Immer mehr Schaulustige stellten sich im Kreis um ihn und den Aufnahmewagen.
    »Was wäre also, wenn wir ein echtes Bild von Jesus Christus hätten und nicht nur eine Simulation?«, fragte er. »Und was wäre, wenn wir nicht nur ein Bild von Jesus Christus hätten, sondern noch einiges mehr?«
    Die Kamera zoomte heran und zeigte sein Gesicht in der Totalen. »Eine leere Behauptung? Nein! Überzeugen Sie sich selbst. Gleich nach der Werbepause.«
    Kaum war das Aufnahmelicht erloschen, stürmte Jerome auf ihn zu. »Was gibt das denn?«
    »Wart’s ab«, entgegnete Simovic. »Auf mein Kommando startet der nächste Einspielfilm, alles klar?«
    Der Assistent nickte wie abwesend, er schien sich in Gedanken schon auf einen Jobwechsel vorzubereiten. Sein Telefon klingelte. »Es ist der CEO.« Er blickte Simovic hilfesuchend an.
    »Geh nicht ran!«, rief Simovic. »Diese Stunde gehört mir! Das hat er mir zugesichert! Danach könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt: kreuzigen, vierteilen oder in den Himmel

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