Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
... Niemals hätte sie
geglaubt, dass er so bald sterben würde. Sie bemerkte Johns Blick. Er schien zu
warten, dann nickte er ihr zu und begann mit klarer Stimme laut und deutlich zu
sprechen:
„Pastor Schott ist zu seinem Gott heimgegangen. Gott, der Allmächtige,
der Einzige, hat ihn zu sich geholt. Sein Wille ist geschehen.“ Er machte eine
Pause und musterte die Eingeborenen mit zusammengezogenen Brauen. „Niemand kann
sich seinem Willen entziehen. Gott ist allmächtig.“ Emma nahm eine flüchtige
Bewegung in der Gruppe der Eingeborenen wahr. John senkte den Blick. „Herr,
nimm deinen Diener Paul zu dir. Er hat das Beste gewollt und hat es mit all
seiner Kraft zu verwirklichen versucht. Nimm ihn auf in dein Reich. Vater unser
...“ „... der du bist im Himmel ...“, betete Emma mit und verspürte in diesen
Worten ein wenig Trost. Die Eingeborenen am Rand des Friedhofs verharrten
reglos. „Asche zu Asche und Staub zu Staub“, endete John, und Emma bückte sich,
nahm eine Hand voll roter Erde von dem Hügel vor ihren Füßen und ließ sie
zwischen ihren Fingern ins Grab rieseln. Ein Windstoß kam auf und nahm einen
Teil mit sich fort.
Da löste sich Petrus aus
der Gruppe. Er trug Hose und Hemd, wie in der Kirche, und trat langsam ans
Grab, den Blick auf die Berge gerichtet. Er blieb am Rande des Grabes stehen
und sagte mit sanfter Stimme auf Englisch: „Ich bin wie der Baum. Wenn alt,
sterbe ich, werde Erde. Wenn Baum alt, verbrennt zu Asche. Und Asche wird Erde.
Ich bin wie der Baum.“ Dann warf auch er eine Hand voll Erde hinunter und ging
ohne Eile zu seinen Leuten zurück. Paul, dachte sie, warum hast du diesen
Menschen so wenig zugehört? Sie sah zu John. Er wirkte abwesend.
Genauso war es gewesen, dachte John. Damals.
Der Himmel war blau. Die Sonne brannte. Diese lastende Stille über dem Land.
Die tiefe Grube ... die Körper in Bettlaken gehüllt ... die löchrigen Hüte der
Viehtreiber, ihre staubigen Stiefel ... der Geruch nach Schweiß und Verwesung
... die aufgeschlagene Bibel in einer rissigen Hand ... die Worte, die ich nicht
verstand ... wie ich das Gewehr nahm, davonrannte, um sie zu rächen ...
„Pastor Schott“, hörte er sich
sagen, „ist nicht durch euren Zauber gestorben!“ „John“, kam es flüsternd von
Emma, aber er beachtete sie nicht. „Ihr habt Pastor Weiß und seine Frau
getötet, aber unser Gott hat es nicht zugelassen, dass ihr auch ihre Nachfolger
tötet! Unser Gott war es, der ihn zu sich geholt hat!“ Ja, das war seine
Stimme! „John!“ Emma machte einen Schritt auf ihn zu. „John, hören Sie auf!“
Seine Augen brannten. Er
lief, das schwere Gewehr im Anschlag, bereit, sie alle zu erschießen ... Er
zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Eingeborenen. „Ihr! Ihr wisst ja gar
nicht, was wir für euch tun!“ Jetzt musste er es sagen, alles hinausbrüllen!
„Wir retten euch vor dem Untergang! Wir geben euch Essen! Wir schützen eure
Frauen und Kinder! Und ihr?“ Seine Stimme wurde noch schärfer, angriffslustig
machte er einen Schritt auf sie zu. „Ihr seid Mörder!“ Endlich! Endlich! Welch
eine Befreiung! All die Jahre hatte er geglaubt, an seinem eigenen Schweigen zu
ersticken!
„John!“ Emma stürzte auf ihn zu, ergriff seinen Arm, doch er
schüttelte ihn ab. „Hören Sie auf damit!“ Sie schrie jetzt auch, doch es
beeindruckte ihn nicht. „Du sollst nicht töten!“ Seine Stimme überschlug sich.
„Das sagt unser Gott! Wir haben euch nichts getan! Wir haben euch immer gut
behandelt, haben euch Wasser und Nahrung gegeben! “ Er wollte weiter auf die
Gruppe zugehen, doch da stellten der Älteste und Wirinun sich ihm breitbeinig
den Weg, ihre Gesichter waren abweisend und entschlossen. Oh ja, er wusste,
dass sie zu allem bereit waren! Na und? Was hatte er noch zu verlieren? Doch da
hob der Älteste den Speer, die messerscharfe Spitze zielte genau auf Johns
Herz.
„So töte mich doch!“
John breitete die Arme aus und bot ihm die ungeschützte Brust. „Ich habe keine
Angst! Töte mich!“ Er warf sich vor dem Ältesten auf die Knie in den Staub.
Sollte dies alles doch endlich ein Ende haben! „John! Hören Sie auf!“ Emma
stürzte zu ihm, doch er stieß sie weg. „Los! Töte mich!“, schrie John wieder.
„Ich fürchte mich nicht! Mein Gott ist bei mir!“ So stark war er noch nie in
seinem Leben gewesen, und er würde es vielleicht auch nie wieder sein! Jetzt
wollte er sterben,
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