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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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... Niemals hätte sie
    geglaubt, dass er so bald sterben würde. Sie bemerkte Johns Blick. Er schien zu
    warten, dann nickte er ihr zu und begann mit klarer Stimme laut und deutlich zu
    sprechen:
    „Pastor Schott ist zu seinem Gott heimgegangen. Gott, der Allmächtige,
    der Einzige, hat ihn zu sich geholt. Sein Wille ist geschehen.“ Er machte eine
    Pause und musterte die Eingeborenen mit zusammengezogenen Brauen. „Niemand kann
    sich seinem Willen entziehen. Gott ist allmächtig.“ Emma nahm eine flüchtige
    Bewegung in der Gruppe der Eingeborenen wahr. John senkte den Blick. „Herr,
    nimm deinen Diener Paul zu dir. Er hat das Beste gewollt und hat es mit all
    seiner Kraft zu verwirklichen versucht. Nimm ihn auf in dein Reich. Vater unser
    ...“ „... der du bist im Himmel ...“, betete Emma mit und verspürte in diesen
    Worten ein wenig Trost. Die Eingeborenen am Rand des Friedhofs verharrten
    reglos. „Asche zu Asche und Staub zu Staub“, endete John, und Emma bückte sich,
    nahm eine Hand voll roter Erde von dem Hügel vor ihren Füßen und ließ sie
    zwischen ihren Fingern ins Grab rieseln. Ein Windstoß kam auf und nahm einen
    Teil mit sich fort.
    Da löste sich Petrus aus
    der Gruppe. Er trug Hose und Hemd, wie in der Kirche, und trat langsam ans
    Grab, den Blick auf die Berge gerichtet. Er blieb am Rande des Grabes stehen
    und sagte mit sanfter Stimme auf Englisch: „Ich bin wie der Baum. Wenn alt,
    sterbe ich, werde Erde. Wenn Baum alt, verbrennt zu Asche. Und Asche wird Erde.
    Ich bin wie der Baum.“ Dann warf auch er eine Hand voll Erde hinunter und ging
    ohne Eile zu seinen Leuten zurück. Paul, dachte sie, warum hast du diesen
    Menschen so wenig zugehört? Sie sah zu John. Er wirkte abwesend.

    Genauso war es gewesen, dachte John. Damals.
    Der Himmel war blau. Die Sonne brannte. Diese lastende Stille über dem Land.
    Die tiefe Grube ... die Körper in Bettlaken gehüllt ... die löchrigen Hüte der
    Viehtreiber, ihre staubigen Stiefel ... der Geruch nach Schweiß und Verwesung
    ... die aufgeschlagene Bibel in einer rissigen Hand ... die Worte, die ich nicht
    verstand ... wie ich das Gewehr nahm, davonrannte, um sie zu rächen ...
    „Pastor Schott“, hörte er sich
    sagen, „ist nicht durch euren Zauber gestorben!“ „John“, kam es flüsternd von
    Emma, aber er beachtete sie nicht. „Ihr habt Pastor Weiß und seine Frau
    getötet, aber unser Gott hat es nicht zugelassen, dass ihr auch ihre Nachfolger
    tötet! Unser Gott war es, der ihn zu sich geholt hat!“ Ja, das war seine
    Stimme! „John!“ Emma machte einen Schritt auf ihn zu. „John, hören Sie auf!“
    Seine Augen brannten. Er
    lief, das schwere Gewehr im Anschlag, bereit, sie alle zu erschießen ... Er
    zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Eingeborenen. „Ihr! Ihr wisst ja gar
    nicht, was wir für euch tun!“ Jetzt musste er es sagen, alles hinausbrüllen!
    „Wir retten euch vor dem Untergang! Wir geben euch Essen! Wir schützen eure
    Frauen und Kinder! Und ihr?“ Seine Stimme wurde noch schärfer, angriffslustig
    machte er einen Schritt auf sie zu. „Ihr seid Mörder!“ Endlich! Endlich! Welch
    eine Befreiung! All die Jahre hatte er geglaubt, an seinem eigenen Schweigen zu
    ersticken!
    „John!“ Emma stürzte auf ihn zu, ergriff seinen Arm, doch er
    schüttelte ihn ab. „Hören Sie auf damit!“ Sie schrie jetzt auch, doch es
    beeindruckte ihn nicht. „Du sollst nicht töten!“ Seine Stimme überschlug sich.
    „Das sagt unser Gott! Wir haben euch nichts getan! Wir haben euch immer gut
    behandelt, haben euch Wasser und Nahrung gegeben! “ Er wollte weiter auf die
    Gruppe zugehen, doch da stellten der Älteste und Wirinun sich ihm breitbeinig
    den Weg, ihre Gesichter waren abweisend und entschlossen. Oh ja, er wusste,
    dass sie zu allem bereit waren! Na und? Was hatte er noch zu verlieren? Doch da
    hob der Älteste den Speer, die messerscharfe Spitze zielte genau auf Johns
    Herz.
    „So töte mich doch!“
    John breitete die Arme aus und bot ihm die ungeschützte Brust. „Ich habe keine
    Angst! Töte mich!“ Er warf sich vor dem Ältesten auf die Knie in den Staub.
    Sollte dies alles doch endlich ein Ende haben! „John! Hören Sie auf!“ Emma
    stürzte zu ihm, doch er stieß sie weg. „Los! Töte mich!“, schrie John wieder.
    „Ich fürchte mich nicht! Mein Gott ist bei mir!“ So stark war er noch nie in
    seinem Leben gewesen, und er würde es vielleicht auch nie wieder sein! Jetzt
    wollte er sterben,

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